Die Nanny auf der Couch, die Sheffields daneben
Eine Familie, ihre Nanny und einiges an anfänglicher Skepsis.
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Binnen weniger Sekunden erfährt man im Intro alles, was man über "Die Nanny" wissen muss: Im roten Kostüm mit Pelzkragen stöckelt Fran Fine durch New York, fällt bei der Familie Sheffield mit der Tür ins Haus und bleibt kurzerhand, um die drei Kinder zu erziehen. "She's the lady in red when everybody else is wearing tan", trällert Ann Hampton Callaway im Original, "The flashy girl from Flushing, the nanny named Fran!"

Auch dreißig Jahre nach Ausstrahlung der ersten Episode bleibt diese Nanny namens Fran liebenswert. Sie ist gleichzeitig herzlich, hyperfeminin und vif, eine Kombination, die man Frauen auf dem Bildschirm selten zugesteht. Die Grenze zwischen der Serienfigur Fran Fine und der realen Fran Drescher, die als Hauptdarstellerin, Autorin und Produzentin in Personalunion fungierte, ist dabei fließend. Sie teilen nicht nur einen Vornamen, sondern auch die jüdische Herkunft und den Geburtsort Flushing, Queens. Auch Mutter, Vater und Großmutter der Serienfigur basieren auf Dreschers tatsächlichen Verwandten.

Gags, die sich auf den Körper beziehen

Mutter Sylvia (Renée Taylor) ist übermächtig, taktlos und immer damit beschäftigt, für Fran eine gute Partie zu suchen. Im Gegensatz dazu ist Vater Morty (Steve Lawrence) im wahrsten Wortsinn unsichtbar – sechs Staffeln dauert es, bis er im Bild zu sehen ist. Beide Charaktere sind das Ziel unablässiger Gags, die sich auf ihre Körper beziehen. Die Mutter, die ständig isst, der Vater, der erst gar nicht zu sehen ist und sich dann Witzchen über sein Toupet gefallen lassen muss. Sie tragen die Vornamen von Dreschers echten Eltern – ob das als augenzwinkernde Würdigung oder schwungvoller Frontalangriff gemeint war, ist schwer zu sagen. Aber wirklich lustig waren Witze über Körper, die nicht der Schönheitsnorm entsprechen, noch nie.

Fran in einem wild getupften Kostüm
Die "Nanny" gilt bis heute als Stilikone.
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Das jüdische "American Girl"

Doch auch abseits von Körperlichkeiten nimmt Drescher ihre Herkunft und Familie auf den Arm. Gegen Bitten von Werbetreibenden, aus der Jüdin Fran eine Italoamerikanerin zu machen, verwehrte sie sich stets. Stattdessen verpasste sie der Familie Sheffield eine britische Herkunft, um der Nanny den Heimvorteil als "American Girl" zu sichern – "trotz" ihres Jüdischseins. Und so stolpert Fran Fine schon in der Pilotfolge ins Anwesen der Sheffields und bezeichnet eine immens teure Skulptur als "Tchotchke" – jiddisch für Ramsch. In der deutschen Synchronisation wird daraus ganz trocken "Staubfänger" und aus Frans dezidiert jüdisch-amerikanischem Vokabular für den Rest der Serie nur eine Reihe sprachlicher Eigenheiten.

Für Zuseherinnen und Zuseher außerhalb der USA sind die Anspielungen und Witze nicht ohne weiteres zugänglich, die Synchronisation tut ihr Übriges. Wenn Fran den Sohn der Sheffields zu einer Beschneidung – jiddisch "Bris" – mitnimmt, damit er die Zeremonie filmt, und dieser voll Leidenschaft auf das Brisket am Buffet zoomt – wie soll man das übersetzen? Sieht man die Serie mehrfach aus ihrem Kontext gerissen, verfangen nur die Momente, in denen sie sich vollends in jüdische Stereotype lehnt. Das ist schade.

Der spröde Mr. Sheffield

Doch das Sheffield-Anwesen bleibt ein Ort, an den man gern zurückkehrt. Das liegt auch an den Nebencharakteren: Butler Niles, gespielt von Daniel Davis, dessen Sticheleien die ganze Serie über ebenso vernichtend wie lustig bleiben. Sein Lieblingsopfer, die kühle Karrierefrau C.C. (Lauren Lane), die gern nicht nur im Geschäft, sondern auch im Privaten Mr. Sheffields Partnerin wäre. Mutter Sylvia mit ihren melodramatischen Gastauftritten oder die demente Großmutter Yetta (Ann Morgan Guilbert), die zwar nie weiß, wo sie ist, aber dabei beinah immer eine gute Zeit hat.

Die Nanny und Mr. Sheffield Arm in Arm
Da haben sie sich endlich: Fran Fine und Maxwell Sheffield.
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Trotzdem ist Mr. Sheffield, der Witwer mit den graumelierten Schläfen, das Zentrum des Sonnensystems jeder einzelnen Frauenfigur in der Serie. Mama Fine will ihre Tochter um jeden Preis an der Seite des Millionärs sehen. Fran selbst braucht einige Staffeln, bis sie ihre eigenen Gefühle versteht. Das hindert sie aber nicht daran, auch zuvor schon mit C.C. um ihn zu konkurrieren. Sieht man den lebendigen, mehrdimensionalen, streitbaren und witzigen Frauenfiguren dabei zu, wie sie den spröden Sheffield (Charles Shaughnessy) umkreisen, ist man geneigt, frei aus einem in Corona-Zeiten legendär gewordenen Video zu zitieren: "Ruheee, so schee is der ned!"

Was wurde aus den Kinderstars?

Die drei Kinder, die inmitten all dessen aufwachsen, werden beinah zur Nebensache. Die älteste Tochter Maggie, gespielt von Nicholle Tom, entwickelt sich durch Frans Fürsorge von einem schüchternen Mädchen zu einer selbstbewussten jungen Frau. Sohn Brighton (Benjamin Salisbury) bleibt ein Chaot, stellt aber zu Ende der Serie wenigstens keine Gefahr für Leib und Leben mehr dar. Und selbst die neurotische kleine Gracie (Madeline Zima) kann bald ihre Therapie beenden. Für alle drei Kinderstars war die "Nanny" ihr größter kommerzieller Erfolg – Tom und Zima sind nach wie vor in kleineren Rollen als Schauspielerinnen tätig, Salisbury ist heute Betriebsleiter der Universal Studios in Hollywood.

Was "Die Nanny" wirklich (wieder-)sehenswert macht, ist die Wärme, die Drescher ihrem Alter Ego einhaucht. Fran Fine ist chaotisch und charmant, naiv und blitzgescheit. Nicht umsonst gilt sie heute als Ikone, vor allem in Sachen Stil. Einem Instagram-Account, der penibel jedes einzelne Outfit aus der Serie analysiert, folgen beinahe 400.000 Menschen. Fran Drescher steckt ihre Energie heute vor allem in Gewerkschaftsarbeit: Seit drei Jahren ist sie Präsidentin der Schauspielergewerkschaft SAG-AFTRA und führte vergangenes Jahr deren mehrmonatigen Hollywood-Streik an. Schauspielerisch konnte sie an ihren Erfolg als "Nanny" nach Serienschluss nicht mehr so richtig anschließen – für jemanden, der sich dabei in weiten Teilen selbst spielte, aber wohl ein schönes Kompliment. (Ricarda Opis, 17.3.2024)