Alois Birklbauer, Strafrechtsprofessor an der Johannes-Kepler-Universität Linz, schreibt in seinem Gastkommentar über die juristische Seite des Falls Teichtmeister.

Seit wenigen Tagen ist bekannt, dass ein beliebter Schauspieler wegen des Besitzes von Kindesmissbrauchsmaterial angeklagt wird. Ihm drohen bei einer Verurteilung bis zu zwei Jahre Haft. Die Reaktionen der Öffentlichkeit auf die Vorwürfe sind wie so oft: Es brauche "zur Verhinderung solcher Verbrechen" eine Verschärfung der Strafbestimmungen, zum Teil ergänzt um die Forderung nach Stärkung von Präventionsmaßnahmen.

Bild nicht mehr verfügbar.

Die Causa Teichtmeister hat eine Debatte über das richtige Strafmaß für den Besitz von Missbrauchsdarstellungen losgetreten.
Foto: Getty Images

Die Debatte wird sehr emotional geführt, und Stimmen, die zu sachlicher Diskussion aufrufen, werden rasch als Unterstützerinnen oder Unterstützer von Kindesmissbrauch diskreditiert. Bei einer ORF-Diskussion wird Verwunderung darüber geäußert, dass kritische Stellungnahmen mit dem Bekenntnis beginnen, wie schlimm derartige Verbrechen sind. Solche Klarstellungen sind aber notwendig, um überhaupt sachlich diskutieren zu können. Darum stelle auch ich voran: Kindesmissbrauch ist eines der schwersten Verbrechen, und dessen Verwerflichkeit darf in keiner Weise relativiert werden und soll durch die vorliegenden Zeilen auch nicht kleingeredet werden.

Geschützte Rechtsgüter

Dennoch seien ein paar Fakten hervorgehoben. Es gibt keinen Verdacht, dass Florian Teichtmeister direkten Kindesmissbrauch begangen oder ein Unrecht durch Weitergabe von Missbrauchsmaterial gesetzt habe. In solchen Fällen wäre die Strafdrohung deutlich höher als bei bloßem Besitz. Weiters ist festzuhalten, dass es wenige Straftatbestände gibt, welche allein den Besitz kriminalisieren. Ziel solcher Delikte ist, den "Markt" zu stören und damit indirekt Opfer zu vermeiden. Dies gilt etwa für den Suchtmittelbereich oder eben die Missbrauchspornografie, welche jedoch auf Minderjährige beschränkt ist. Der alleinige Besitz von Darstellungen über die Vergewaltigung von Erwachsenen oder den Missbrauch besonders schutzbedürftiger Personen ist nicht kriminalisiert. Auch wenn der bloße Besitz von Suchtmitteln und Missbrauchspornografie kriminalisiert ist, werden die dahinterstehenden geschützten Rechtsgüter nicht gleichgesetzt. Dies zeigt sich zu Recht auch darin, dass der Besitz von Missbrauchspornografie mit deutlich strengerer Strafe bedroht ist als der Besitz von Suchtmitteln.

"Generalprävention ist nicht mit den Wünschen der Bevölkerung gleichzusetzen, sondern entscheidend ist, was die Allgemeinheit braucht, um rechtstreu zu bleiben."

Der Schutzbereich der angesprochenen Missbrauchspornografie mahnt mit Blick auf eine Anhebung der Strafdrohung zur Vorsicht. Eine Strafannäherung bei indirekten Opferschutzdelikten in Richtung jener für direkte Opferverstöße birgt die Gefahr, dadurch das Leid, das direkten Opfern widerfahren ist, zu bagatellisieren. Unabhängig davon ist es nicht Aufgabe des Strafrechts, allein unmoralische oder unerwünschte Einstellungen zu bestrafen. Erst wenn aus solchen Einstellungen gefährliche Verhaltensweisen resultieren, darf das Strafrecht eingreifen. So ist etwa auch der Besitz von nationalsozialistischem Propagandamaterial nicht strafbar, solange dieses nicht zur Schau gestellt wird und dadurch eine zumindest abstrakte Gefährdung der demokratischen Ordnung Österreichs bewirkt werden kann.

Der Umstand, dass die strafbare Kindesmissbrauchspornografie auf "wirklichkeitsnahe Darstellungen" abstellt und damit auch solche erfasst, die am Computer generiert wurden, ohne dass es überhaupt ein tatsächliches Opfer gibt, kann dieses Delikt in die Nähe eines bloßen "Neigungs- und Gesinnungsdelikts" rücken, was zum Ultima-Ratio-Gedanken des Strafrechts in einem Spannungsverhältnis steht. Kriminologische Studien belegen zudem, dass höhere Strafen keinen Missbrauch verhindern können, weil Täterinnen und Täter allenfalls eine Entdeckung, nicht aber eine bestimmte Strafhöhe einkalkulieren.

Beim jetzt diskutierten Fall zeigt sich weiters, dass beim "Straucheln eines Prominenten" Strafverfolgungsbehörden und Gesellschaft gerne besondere Härte zeigen. Laut Anwalt ist sein Mandant geständig und habe auch bereits eine Therapie absolviert. Wenn dem so ist, liegt eine Verantwortungsübernahme vor, sodass sich die Frage stellt, warum hier infolge der bisherigen Unbescholtenheit nicht diversionell vorgegangen wird. Sexualdelikte mit einer angedrohten Freiheitsstrafe bis einschließlich drei Jahren, und damit jedenfalls auch das vorgeworfene Delikt, sind diversionstauglich. Der Unrechtsgehalt mag zwar durch die Vielzahl der Dateien beträchtlich sein, dieser Aspekt wird aber bereits durch die Strafdrohung ausreichend berücksichtigt. Die fehlende schwere Schuld kann durch positives Nachtatverhalten, wie etwa eine bereits absolvierte Therapie, erreicht werden.

Präventive Überlegungen

Es scheint, als stünden allein präventive Überlegungen einer Diversion entgegen. Dies führt zur Frage, ob bei Prominenten generalpräventiven Argumenten besondere Bedeutung zukommt. Generalprävention ist nicht mit den Wünschen der Bevölkerung gleichzusetzen, sondern entscheidend ist, was die Allgemeinheit braucht, um rechtstreu zu bleiben. Es geht also darum, ob das Rechtsbewusstsein der Allgemeinheit tatsächlich stark erschüttert würde, wenn das Strafverfahren gegen den Schauspieler infolge seiner Verantwortungsübernahme und nach Bezahlung einer hohen Geldbuße ohne Verurteilung enden würde.

Die völlige Zerstörung seiner beruflichen Existenz könnte dadurch wahrscheinlich vermieden werden. Wenn dies in sachlich vertretbarer Weise möglich ist, gebietet dies ein menschenrechtsgerechtes Strafrecht, welches Standard unserer heutigen Zeit sein muss. Dies darf nicht aus dem Blick geraten, selbst wenn Kindesmissbrauch noch so sehr abzulehnen und die "dunkle Seite eines Publikumslieblings" die Gesellschaft noch so sehr enttäuscht. (Alois Birklbauer, 21.1.2023)