Martin Polaschek
Bildungsminister Martin Polaschek will mit den Freiheitlichen generell nicht in einer Regierung sitzen – egal ob mit oder ohne Kickl.
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Es ist wohl das letzte größere Projekt in der Amtszeit von Bildungsminister Martin Polaschek. Nach konfliktreichen Verhandlungen mit den Grünen gibt es bei der Lehrerausbildung nun eine Einigung in der Koalition: Das derzeit mit sechs Jahren bis zum Master außergewöhnlich lange Studium soll auf fünf Jahre verkürzt werden.

Im selben Gesetzespaket sollen auch gleich andere Uni-Reformen durchs Parlament gebracht werden. Besonders heikel: Der Bachelorabschluss soll künftig mitunter nicht mehr automatisch zum Zugang zu einem fachlich passenden Masterstudium berechtigen. Bei den Grünen regt sich dagegen schon interne Opposition, Polaschek, der auf einem ÖVP-Ticket in der Regierung ist, versucht zu beschwichtigen. Wie es nach den Wahlen für den Steirer weitergeht, ist ungewiss – unter Beobachtern glaubt kaum jemand, dass der Ex-Rektor in der nächsten Regierung noch eine Rolle spielt.

STANDARD: Die ÖH hat Ihre geplante Uni-Reform kritisiert, weil daraus eine massive Ausweitung von Aufnahmetests vor Masterstudien folgen könnte. Sie haben empört reagiert und gesagt, die Kritik "entbehre jeder Grundlage". Aber die Grundlage ist doch schlichtweg Ihr Gesetzesvorschlag, in dem solche Tests als Option ermöglicht werden.

Polaschek: Nein. Es geht darum, dass die Unis immer wieder den großen Bedarf äußern, für bestimmte Masterstudien qualitative Voraussetzungen einzuführen. In der Praxis merkt man, dass mitunter viele Menschen diese Studien inskribieren, sie dann aber nicht schaffen. Darum wollen wir den Universitäten für bestimmte Bereiche eine Möglichkeit geben, den Zugang qualitativ zu steuern, damit nur die aufgenommen werden, die das Studium auch schaffen können. Aber das heißt ja nicht, dass man nicht eines der vielen anderen Masterstudien beginnen kann. Im Gegenteil: Die Unis haben selbst das größte Interesse, viele Studierende zu haben. Der Vorwurf, es seien flächendeckende Zugangsvoraussetzungen geplant, ist überzogen und nicht richtig.

STANDARD: Sie sagen, es gehe um "qualitative Steuerung". Im Gesetzesentwurf steht jedoch, dass die Unis in Masterstudien eine maximale "Anzahl" an Studienanfängern festlegen dürfen. Das ist etwas Quantitatives.

Polaschek: Das zielt aber nur auf bestimmte Masterstudiengänge ab. Da geht es zum Beispiel um Studien, die aus vielen Praxisanteilen bestehen oder wo es vorwiegend Laborübungen gibt. Dafür gibt es eben nur bestimmte Kapazitäten, und in diesen Bereichen braucht es eine Regelung, damit die Unis solche Spezialmaster vernünftig anbieten können. Wenn es in einem Labor nur 40 Plätze gibt, kann man einen solchen Master nicht für 100 Leute aufmachen. In solchen Fällen ist es sinnvoll, wenn die Unis zusätzliche Qualifikationen oder einen bestimmten Notenschnitt aus dem Bachelor als Kriterien festlegen können.

STANDARD: Wird dadurch der Bachelorabschluss entwertet?

Polaschek: Überhaupt nicht. Es gibt viele Masterstudien an den Unis, die einem auch künftig mit dem Bachelor offenstehen werden. Die neue Regelung könnte sogar für eine Verbreiterung des Angebots nach dem Bachelor sorgen, weil es für die Unis attraktiver wird, spezialisierte Master anzubieten.

STANDARD: Sie sprechen jetzt immer von "Spezialmastern", aber der Begriff ist nicht definiert. Letztlich können die Unis also selbst entscheiden, bei welchen Masterstudien sie Aufnahmeverfahren abhalten. In welchem Maße wird es diese künftig geben, denken Sie?

Polaschek: Was konkret die Unis planen, obliegt den einzelnen Häusern. Aber ich würde sagen, es werden sehr wenige sein, denn die Unis wollen selbstverständlich möglichst viele Masterabschlüsse hervorbringen.

Polaschek
Polaschek glaubt, dass nur wenige Unis Aufnahmetests vor Beginn des Masterstudiums verlangen werden.
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STANDARD: In Ihrem neuen Hochschulrechtspaket werden Begriffe wie "Plagiat" und "wissenschaftliches Fehlverhalten" gesetzlich vereinheitlicht. Das ist sicher sinnvoll, aber die konkreten Maßnahmen liegen erst wieder bei den Unis. Nicht einmal der verpflichtende Einsatz von Plagiatssoftware wird politisch vorgegeben, warum nicht?

Polaschek: Weil nicht alle Universitäten gleich sind und die autonomen Unis in ihren Bereichen am besten entscheiden können, welche individuellen Vorkehrungen sie brauchen. In textlastigen Fächern wie Geschichte und Philosophie sollte natürlich eine Plagiatssoftware verwendet werden. Aber bei mathematischen, pharmazeutischen oder künstlerischen Arbeiten macht es nicht überall Sinn, da bedarf es einer anderen inhaltlichen Bewertung.

STANDARD: Auch in textlastigen Studien wie Philosophie gibt es aus meiner Erfahrung eine beträchtliche Zahl an Professoren, die die Software bei schriftlichen Seminararbeiten nicht einbinden.

Polaschek: Mein Ministerium wird dieses Thema natürlich auch in den Gesprächen mit den einzelnen Unis über die Leistungsvereinbarungen ansprechen. Wir erwarten schon, dass die Hochschulen die Software dort jedenfalls einsetzen, wo es technisch machbar und sinnvoll ist. Bei Masterarbeiten ist das ja bereits auch flächendeckend umgesetzt. Auch in meiner Zeit als Rektor der Uni Graz hatten wir das schon länger in der Satzung verankert.

STANDARD: Viel Lob gibt es für Ihre geplante Verkürzung des Lehramtsstudiums Sekundarstufe von sechs auf fünf Jahre. Dass das gerade den Studierenden gefällt, ist nachvollziehbar, aber schießen Sie nicht übers Ziel hinaus? Immerhin wird künftig auch die Induktionsphase – also Lehrpraxis – ins Studium eingerechnet, die Zeit an der Uni wird somit noch zusätzlich reduziert.

Polaschek: Es war von vielen Seiten ein großer Wunsch, mehr Praxis ins Studium hineinzubringen. Genau das ermöglichen wir hier. Die Studierenden können mit wissenschaftlicher Begleitung Erfahrung in der Schule sammeln und ihren Unterricht mithilfe von Mentorinnen und Mentoren verbessern. Da wir uns durch die Verkürzung auch Geld an den Unis sparen, können wir das wiederum in die Verbesserung der Betreuungssituation und mehr Kleingruppen-Veranstaltungen investieren.

STANDARD: Die jetzige Generation der Junglehrerinnen in der Sekundarstufe musste sechs Jahre studieren. War das eine Verschwendung, wenn doch offenbar fünf Jahre reichen?

Polaschek: Nein, die Studierenden haben das Wissen und die Erfahrung aus den Lehrveranstaltungen für ihr Leben mitgenommen. Wir haben im Laufe der Jahre immer wieder Unterschiede bei der Studiendauer gehabt, das kann man eben nicht rückwirkend ändern.

STANDARD: Als Teil der Reform haben Sie auch "Schutzfunktionen" für Junglehrer präsentiert. Sprich: Wer parallel zum Unterrichten noch studiert, soll nur die halbe Lehrverpflichtung haben dürfen und auch nicht als Klassenvorstand eingespannt werden. Allerdings findet sich diese Ankündigung nicht in Ihrem Gesetzespaket. Warum nicht?

Polaschek: Die Schutzfunktionen müssen gesetzlich im Lehrerdienstrecht geregelt werden, und dafür ist das Beamtenministerium (von Werner Kogler, Anm.) zuständig. Da dort eine große Novelle des Dienstrechts geplant ist, müssen wir diese noch abwarten. Ich kann nicht genau sagen, wann das kommt, aber es sollte definitiv noch in dieser Legislaturperiode so weit sein.

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Polaschek und sein Ressort gendern derzeit in Schriftstücken mit dem Schrägstrich, den Vorstoß von ÖVP-Chef Nehammer zum Gender-Verbot in der Verwaltung will er vorerst abwarten.
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STANDARD: Wollen Sie auch in der nächsten Regierung Minister sein?

Polaschek: Ich bin sehr gerne Bildungsminister und würde diese ehrenvolle Aufgabe gerne noch länger machen. Klar ist für mich aber auch, dass ich für eine Regierung mit Herbert Kickl nicht zur Verfügung stehe.

STANDARD: Und mit der FPÖ allgemein?

Polaschek: Da gilt dasselbe. Wenn die FPÖ in die Regierung kommt, würde ich kein Ministeramt annehmen.

STANDARD: Kanzler Karl Nehammer will bei seiner Rede am Freitag ein Verbot des Genderns in der Verwaltung anregen. In den Rundschreiben und Internetauftritten Ihres Ministeriums wird mit Schrägstrich ("Lehrer/innen") gegendert. Im Unterschied zu Nehammer haben Sie also offenbar kein Problem mit dem Gendern?

Polaschek: Sie fragen mich, ob ich ein Problem bei einem Thema sehe, zu dem jemand anderes möglicherweise etwas sagen wird – das ist eine philosophische Diskussion. Aber ich halte eine geschlechtergerechte Sprache für absolut wichtig und unerlässlich. Ich spreche mündlich immer von "Lehrerinnen und Lehrern", verwende aber keinen Glottisschlag. In den schriftlichen Dokumenten von Behörden wird derzeit aber uneinheitlich gegendert, manche nehmen den Doppelpunkt, manche den Schrägstrich et cetera. Wenn es dem Kanzler hier um eine einheitliche Richtlinie geht, wäre das sicher legitim, und wir würden uns das bei uns anschauen.

STANDARD: Nehammer hat zudem seine Forderung durchsickern lassen, dass das Gendern an Hochschulen nicht mehr in Leitlinien für Studierende normiert werden soll oder anderweitig in Prüfungen einfließen darf. Dabei fällt das doch klar in die Freiheit der Unis und ihrer Lehrenden.

Polaschek: Nachdem die Rede des Kanzlers noch nicht stattgefunden hat, will ich das jetzt auch nicht weiter kommentieren.

STANDARD: Aber Sie würden im Fall des Falls schon die Autonomie der Hochschulen gegen derartige Sprachregelungen der Regierung verteidigen, oder?

Polaschek: Das ist eine Fangfrage (lacht).

STANDARD: In seiner Rede will der ÖVP-Chef auch für die Rückkehr von Leistungsgruppen an Mittelschulen plädieren. Was halten Sie davon?

Polaschek: Ich bitte um Verständnis, dass ich die Rede des Bundeskanzlers nicht vorab kommentieren möchte. Grundsätzlich würde ich die Wiedereinführung von Leistungsgruppen befürworten, weil ich denke, dass sich so ein System positiv auf den Lernerfolg von Schülerinnen und Schülern auswirken kann. (Theo Anders, 24.1.2024)