In seinem Gastkommentar zur Debatte um die ORF-Digitalnovelle ruft der Medienberater und ehemalige ORF-Manager Rudi Klausnitzer dazu auf, das duale Mediensystem zu stärken und Kompromiss und Konsens zu suchen.

Noch ist Zeit: Die Begutachtung des neuen ORF-Gesetzes läuft bis 25. Mai.
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In der Diskussion um die Novelle zum ORF-Gesetz ist weniger die Frage zentral, ob Haushaltsabgabe oder gesicherte Budgetfinanzierung, sondern die Frage, ob dieses Gesetz im Sinne der Förderung eines dualen Mediensystems ist und dessen Regelungen beide Seiten – den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die Privatmedienhäuser – auch entsprechend absichern. Zumindest die privaten Medien sehen dies nicht gegeben, sondern im Gegenteil, äußerst gefährdet (siehe "Aufschrei der Redaktionen").

Österreich braucht aber ein konstruktives Miteinander in diesem dualen Mediensystem, das nicht mehr in der ursprünglich ja einfachen Teilung zwischen Print und Audiovision besteht, sondern auf beiden Seiten das gesamte – vor allem auch digitale – Verbreitungsspektrum umfasst. Deshalb wäre eine Festlegung des öffentlich-rechtlichen Auftrages im Lichte der nationalen und internationalen medientechnologischen Entwicklungen ein wichtiger Teil einer Neuregelung der Medienlandschaft. Die aktuelle Situation in Österreich zeigt die Bedeutung eines konstruktiven Miteinanders.

Starke Medien

Die Privatmedien brauchen einen starken ORF, sein Fehlen würde nicht zu einer Stärkung der österreichischen privaten Medien, sondern zu einer Schwächung eines unabhängigen Medienstandortes Österreich führen. Der ORF braucht aber auch starke wettbewerbsfähige österreichische Privatmedien. Nicht nur weil sie Tag für Tag auf allen ihren Kanälen dazu beitragen, die Angebote des ORF zu kommunizieren und zu kommentieren. Sie sind auch ein verlässlicher Verteidiger der journalistischen Unabhängigkeit des ORF. Es waren die Zeitungsherausgeber, die 1964 mit einem Volksbegehren den ORF aus der damaligen Parteienumklammerung holten. Ein duales Mediensystem, in dem miteinander ein Auskommen gefunden wird, gehört zu den Fundamenten einer Demokratie.

Daher zwei Vorschläge, um am Ende zu einem Gesetz zu kommen, das diesen Voraussetzungen Rechnung trägt: Die beiden Lager, also ORF und der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ), sollen – auch wenn die Zeit schon knapp ist – an den Verhandlungstisch geschickt werden und einen gemeinsamen Vorschlag für die strittigen Punkte vorlegen. Ein Stück dieses Weges ist man schon gegangen, und in den letzten Jahrzehnten konnte man auf diesem Weg immer noch Kompromisse und Konsens erzielen. Einzelverhandlungen der einzelnen Player mit den unterschiedlichen politischen Protagonistinnen und Protagonisten werden nur zu einer Situation führen, wie wir sie jetzt haben.

Duales System absichern

Das Gesetz braucht auch eine klare, verpflichtende Festlegung, dass auf die Sicherung des dualen Systems und auf die Wettbewerbsfähigkeit der privaten Medien Bedacht zu nehmen ist. Entscheidungen dazu können bei der kurzen Halbwertszeit von Medienentwicklungen im digitalen Bereich nicht auf Dauer festgeschrieben werden, sondern sind jeweils dynamisch zu treffen.

Das betrifft Ausbaumöglichkeiten für den ORF, aber auch die Auslegung des öffentlich-rechtlichen Auftrags. Diese Entscheidungen sollten nicht von der Politik, sondern politikunabhängig getroffen werden. Dazu könnte ein Senat eingerichtet werden, der aus drei unabhängigen Fachleuten und je zwei Vertreterinnen und Vertretern der beiden Partner besteht.

Die Politik täte gut daran, dem VÖZ und dem ORF – trotz Zeitknappheit – diesen Kompromissversuch aufzutragen. Dieser Kompromiss kann nur untereinander gefunden werden und nicht über unterschiedliche, politisch motivierte Vermittlungskanäle. Sonst wird man – im doppelten Sinn des Wortes – mit einem blauen Auge aufwachen. (Rudi Klausnitzer, 3.5.2023)