Die Regierung ersetzt die GIS-Gebühr mit einer Haushaltsabgabe und weitet die digitalen Möglichkeiten des Unternehmens aus.

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Wien – ORF-Generaldirektor Roland Weißmann will kurz vor dem Ziel nichts mehr anbrennen lassen. In einem internen Mail, das dem STANDARD vorliegt, liefert er den ORF-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern auf fünf Seiten ein "Argumentarium", damit sie den von der Regierung ausverhandelten ORF-Beitrag und die geplante Digitalnovelle verteidigen – etwa bei Debatten und Kritik in sozialen Medien.

Weißmann bezeichnet das als "Beitrag zur Versachlichung" der Diskussion, da aus seiner Sicht "bedauerlicherweise eine ganze Reihe von Fehlinformationen und fragwürdigen Interpretationen" kursieren. Weißmann nimmt Bezug auf den Protest der österreichischen Verlegerinnen und Verleger, der am 3. Mai, am Tag der Pressefreiheit, mit einer leeren Titelseite und in Leitartartikeln artikuliert wurde.

800 Millionen Euro pro Jahr?

Unter der Überschrift "Der ORF bekommt mehr als 800 Millionen!" heißt es etwa: "Der ORF erhält ausschließlich jene Mittel, die zur Abdeckung der Nettokosten des öffentlich-rechtlichen Auftrags erforderlich sind. Dies sind bis 2026 jährlich rd. 710 Millionen Euro im Durchschnitt, die in die Erfüllung der vielfältigen gesetzlichen Aufträge investiert werden. Diese Nettokosten sind gedeckelt, werden von der Medienbehörde KommAustria überprüft. Allfällige Mehreinnahmen wandern auf ein Sperrkonto.

Außerdem erhält der ORF mit dem neuen ORF-Gesetz zahlreiche zusätzliche Aufträge wie die Einführung eines neuen, hochwertigen Kinder- und Jugend-Kanals online, die Weiterführung von ORF Sport Plus sowie die Beibehaltung des Anteils an Eigen- und Auftragsproduktionen in ORF 3. Zugleich sieht das neue ORF-Gesetz weitere Einschränkungen der ORF-Werbeerlöse im Radio- und Onlinebereich vor. Der gewünschte Lenkungseffekt, durch Beschränkungen des ORF die österreichischen Privatmedien wirtschaftlich zu begünstigen, hat sich historisch betrachtet noch nie eingestellt."

Thema Ausweitung der Online-Rechte

Wenn jemand mit Argument kommt, dass die Online-Rechte des ORF massiv ausgeweitet würden, liefert Weißmann folgende Entgegnung: "Von massiver Ausweitung kann nicht die Rede sein. Die bisherigen Möglichkeiten des ORF im Online-Bereich sind gesetzlich sehr eng begrenzt und entsprechen weder den Nutzungsgewohnheiten des Publikums noch europäischen Standards. Mit der Digitalnovelle erhält der ORF in öffentlich-rechtlichen Kernbereichen mehr Spielraum, um besser auf die Bedürfnisse des Publikums eingehen zu können, er bleibt aber weiterhin sehr eng reglementiert. Zu den neuen Möglichkeiten gehört u.a. eine längere Bereitstellungsdauer für ORF-Sendungen im Abrufdienst (TV-thek und ORF Sound).

Die Möglichkeit, Video- und Audio-Beiträge ausschließlich online oder schon vor einer Ausstrahlung im linearen Programm anzubieten, ist weiterhin an strenge Auflagen geknüpft. Neue Angebote müssen einer langwierigen Auftragsvorprüfung unterzogen werden, in der die Wettbewerbsauswirkungen genau analysiert werden. Darüber hinaus sieht die Digitalnovelle weitreichende Beschränkungen am ORF-Onlineangebot ORF.at im News- und Sportbereich vor. So wird das Verhältnis von Video- zu Textinhalten mit einem Schlüssel von 70 zu 30 vorgeschrieben und das News-Angebot insgesamt mit 350 Storys pro Woche limitiert. Begleittexte zu Videos sind mit nur 300 Zeichen begrenzt. Für die textbasierte Überblicksberichterstattung wurde außerdem eine neue Formulierung zur nicht erlaubten 'Zeitungsähnlichkeit' eingefügt."

Höhe des ORF-Beitrags

Ob der ORF-Beitrag nicht viel zu hoch sei? Nein, denn: "Der künftige ORF-Beitrag wird für die Haushalte günstiger als die bisherige GIS-Gebühr und deckt das umfassende Programmangebot ab, das der ORF in Erfüllung seiner Programmaufträge zu erbringen hat. Der ORF-Beitrag ist das günstigste Programmentgelt im deutschsprachigen Raum und liegt auf dem Niveau vergleichbarer Public Service Broadcaster in Europa. Der ORF-Beitrag dient der Erfüllung der gesetzlichen Aufträge und wird ausschließlich dahingehend berechnet. Der ORF-Beitrag wird künftig 15,30 Euro pro Monat für jeden Gebührenhaushalt betragen, statt bisher 18,59 Euro GIS-Gebühr, das sind rund 50 Cent / Tag für ein multimediales Gesamtangebot", heißt es.

Finanzierung

Unter dem Ansatz "Der ORF-Beitrag ist unfair!" steht etwa: "Öffentliche Infrastruktur und gemeinwohlorientierte Institutionen werden in demokratischen Gesellschaften durch die Allgemeinheit finanziert, da sie allen zugutekommen, unabhängig von der individuellen Nutzung, was in vielen gesellschaftlichen Bereichen wie z. B. Verkehr, Sicherheit, Gesundheit oder Bildung außer Streit steht. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist eine solche Infrastruktur-Leistung im Dienste der Allgemeinheit. Vor diesem Hintergrund ist der ORF-Beitrag nachhaltig, fair, günstiger, wirtschaftlich angemessen und sozial gerecht.

  • Mit dem ORF-Beitrag ist die unabhängige Finanzierung der Aufträge des ORF nachhaltig sichergestellt. Das neue ORF-Gesetz zwingt den ORF zugleich zu noch größerer Sparsamkeit.
  • Mit dem ORF-Beitrag verteilen sich die Kosten fairer zwischen den österreichischen Haushalten, die so genannte "Streaming-Lücke" wird dadurch, wie vom Verfassungsgerichtshof aufgetragen, geschlossen.
  • Der ORF-Beitrag ist mit 15,30 Euro deutlich günstiger als die bisherige GIS-Gebühr von 18,59 Euro im Monat, zwischen 15 und 30 Prozent je nach Bundesland.
  • Der ORF-Beitrag ist sozial gerecht, sozial schwächere Haushalte (dzt. rd. 300.000) bleiben wie bisher vom ORF-Beitrag befreit."

Weitere Erläuterungen und Argumentationsfutter finden sich etwa noch zu den Themen "Die Dominanz des ORF wird ausgebaut und die Marktverzerrung verstärkt!", "Der ORF frisst den Großteil des Werbekuchens und erhält 300 Mio. Euro an Werbeerlösen!", "ORF soll weder Sport noch Unterhaltung anbieten!" oder zur Frage "Warum spart der ORF nicht?". (omark, 8.5.2023)