Kulturwissenschafter Christoph Landerer schreibt in seinem Gastkommentar ausgehend von Salzburg über die ungelöste Frage, wie es die anderen Parteien mit Rechtspopulisten halten.

Gleich vorweg: Als Salzburger hätte auch ich mir eine andere Regierung als Schwarz-Blau gewünscht. Eine Koalition mit der SPÖ hätte eine – denkbar knappe – Mehrheit, aus Stabilitätsgründen hätte man auch die Grünen miteinbeziehen können. ÖVP-Landeshauptmann Wilfried Haslauer hatte diese Variante noch am Wahlabend angedacht. Dass es nun anders kommt, lässt sich mit guten Gründen bedauern, und natürlich gibt es berechtigte Bedenken gegen jede Regierungszusammenarbeit mit der FPÖ. Aber Politik ist keine reine Grundsatzveranstaltung, sondern auch ein pragmatisches Geschäft, und das gilt umso mehr, wenn mittel- und langfristige Perspektiven in die Betrachtung einbezogen werden.

Das freundliche Gesicht der FPÖ: Marlene Svazek übernimmt in Salzburg nun Regierungsverantwortung.
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Die Gründe für die Skepsis hat Klemens Renoldner (siehe "Nein, Herr Doktor Haslauer!") in beredter Weise dargelegt (dass Österreich Ungarn wird, ist im Bundesland Salzburg freilich eher nicht zu befürchten, und auch ein "Ausländer-raus-Österreichertum" wird in einer Tourismusregion selbst unter blauen Parteigängern nicht viele Fürsprecher finden). Aber die grundsätzliche Nichteinbindung der FPÖ erspart uns nicht die Antwort auf eine zentrale Frage: Wie umgehen mit dieser Partei? Das Problem stellt sich nicht nur in den Ländern, sondern in verschärfter Weise auch im Bund, und es ist, vor allem seit dem Aufschwung der FPÖ in der Ära Haider, politisch ungelöst.

"Die FPÖ gewinnt in der Opposition, und sie verliert in der Regierung."

Ein grundlegender Zusammenhang ist mittlerweile empirisch gut erprobt: Die FPÖ gewinnt in der Opposition, und sie verliert in der Regierung – Letzteres in durchaus beeindruckenden Dimensionen. Im Burgenland verlor die FPÖ nach der rot-blauen Koalition unter den Landeshauptleuten Hans Niessl und später Hans Peter Doskozil ein Drittel ihrer Stimmen und ermöglichte so die absolute Mehrheit für die SPÖ in der Landtagswahl 2020. In Oberösterreich, wo die FPÖ seit 2015 aufgrund eines Arbeitsübereinkommens mit der ÖVP regiert, verlor die Partei 2021 ebenfalls jeden dritten Wähler, jede dritte Wählerin und reduzierte sich von 30 Prozent auf 20 Prozent der Stimmen.

Die Rolle der SPÖ

Der Zusammenhang zeigt sich auch im Bund: 2002, nach der ersten schwarz-blauen Koalition, verlor die FPÖ ganze 17 Prozent und fiel auf zehn Prozent der Stimmen. Die Neuwahl 2019, nach der türkis-blauen Koalition – und unter den freilich besonderen Bedingungen des Ibiza-Skandals –, brachte abermals einen Verlust von zehn Prozent. Bereits die rot-blaue Koalition unter Kanzler Fred Sinowatz verhieß nichts Gutes für die FPÖ: 1985 lag die Partei in Umfragen nur mehr bei ein bis zwei Prozent – ein wesentlicher Hintergrund für die Wahl Jörg Haiders am FPÖ-Parteitag 1986.

Der Zusammenhang zwischen Regierung und Stimmverlusten gilt tendenziell, völlig eindeutig ist er nicht. Die Landtagswahl in Salzburg 2004 endete für die FPÖ trotz Opposition mit einem Minus von zehn Prozent, allerdings nach schweren internen Querelen. Die blauen Verluste an die SPÖ ebneten Gabi Burgstaller den Weg in den Chiemseehof.

Die damalige Hochphase der SPÖ ist aktuell beendet; im Land Salzburg fuhr sie mit David Egger im April mit knapp 18 Prozent ihr historisch schlechtestes Ergebnis ein, im Bund bescheinigten ihr mehrere Umfragen Platz drei – hinter FPÖ und ÖVP. Der Wähleraustausch mit der FPÖ, den die ÖVP im Bund nach jeweils gescheiterten Koalitionen jedenfalls temporär für sich aktivieren konnte, funktioniert hier nicht, auch weil ein roter Grundsatzbeschluss Rot-Blau verhindert. Dass dies wünschenswert wäre, sei damit nicht gesagt, aber die fehlende koalitionäre Option trägt zur tristen Lage auf dem Wählermarkt bei. Im Bund haben sich die roten Verluste an die FPÖ verfestigt.

Welche Lehren lassen sich daraus für Salzburg ziehen? Eine Koalition zwischen ÖVP und SPÖ wäre möglich gewesen, aber sie hätte der SPÖ kaum dazu verholfen, blaue Wählerinnen undWähler zurückzugewinnen. Dazu kommt die Konkurrenz durch die KPÖ plus, die die Lage der Salzburger SPÖ besonders prekär macht. In der Regierung ist die SPÖ hier doppelt angreifbar. Die FPÖ würde wohl weiter profitieren, mit entsprechend düsterer Prognose für die Landtagswahl 2028.

Schmaler Grat

Landesparteiobfrau Marlene Svazek ist das freundliche Gesicht der FPÖ. Sie hat klare Worte gegenüber Gottfried Waldhäusl gefunden ("irgendwo in seinem Denkmuster verunfallt") und ist nicht den Radikalen in der Partei zuzurechnen. Dass auch sie inhaltlich auf Kickl-Linie ist, ist nicht zu übersehen, aber ihre Möglichkeiten im Bundesland Salzburg sind begrenzt. Die Politik wird hier vielleicht einen schmalen Grat beschreiten und Akteure wie Parteichef Herbert Kickl und Udo Landbauer in Niederösterreich anders bewerten müssen.

Das Grundsatzproblem des Umgangs mit rechtspopulistischen Parteien ist indes nicht auf einfache Weise zu lösen (siehe dazu Günther Pallaver im Gastkommentar, "Wen wundert der Erfolg der Ultrarechten noch?"). Ein Boykott lädt sie weiter mit Proteststimmen auf und verbessert ihre Chancen auf dem Wählermarkt, eine Einbindung hilft bei der Umsetzung ihrer politischen Inhalte.

Dass sich ein pragmatischer Umgang aber lohnen kann, zeigt das Beispiel Neuseeland, das einzige Land der Neuen Welt, das nach europäischem Verhältniswahlrecht wählt. New Zealand First, eine der FPÖ in vielem ähnliche Partei, wurde von beiden politischen Lagern eingebunden und periodisch dezimiert, der Höhenflug war bereits in den 1990er-Jahren beendet. Auch Jacinda Ardern koalierte mit den Rechtspopulisten, in der Folge flog New Zealand First aus dem Parlament. Vielleicht wäre auch in Österreich etwas mehr Pragmatismus angezeigt; Patentlösungen gibt es hier nicht. (Christoph Landerer, 25.5.2023)