Eine Öffentliche Betriebsversammlung der ARGE Aufzüge im Rahmen von Warnstreiks bei der Metalltechnischen Industrie nach dem Scheitern der vierten Verhandlungsrunde um den Metaller-Kollektivvertrag am Montag, 6. November 2023, in Wien. Zwei Männer pusten in eine Pfeife, im Hintergrund sind Menschen mit roten und weißen Bannern zu sehen.
Die Monteure der Wiener Aufzugsfirmen streikten auf der Triester Straße. Der Verkehr wurde bis in den Vormittag hinein gesperrt.
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Mit Trillerpfeifen, roten Fahnen und Trommeln versammeln sich am Montagmorgen die rund 500 Monteure der Wiener Aufzugsfirmen Schindler, Kone, Otis und TK-Aufzüge auf dem Wienerberg. An Ständen der Gewerkschaft werden die Männer und auch einige Frauen mit Semmeln und Getränken versorgt. Die Stimmung ist gesellig. Die Kollegen unterhalten sich, scherzen und schütteln Hände. Doch ihr Anliegen ist ein ernstes. Die Aufzügler, wie die gewerkschaftlich wohlorganisierten Monteure auch bezeichnet werden, beginnen ihre Schicht an diesem Montag nicht um 7 Uhr an ihrem Arbeitsplatz, sondern halten einen Warnstreik ab. Zahlreiche weitere Betriebe folgen im Laufe des Tages und an den nächsten zwei Tagen. Nach Angaben der Gewerkschaft sollen bis zu 400 Betriebe in Warnstreiks treten.

Hintergrund der Arbeitsniederlegung: Auch die vierte Verhandlungsrunde zwischen Arbeitgebern und -nehmern kam zu keinem Ergebnis. Das zuletzt von den Arbeitgebern vorgelegte Angebot sieht 2,5 Prozent Lohnerhöhung plus einen Fixbetrag von hundert Euro zuzüglich einer steuerfreien Einmalzahlung von 1.050 Euro vor. Die Arbeitnehmerseite fühlt sich verhöhnt und fordert unbeeindruckt 11,6 Prozent – und steht nun auf der Straße. In Wien begannen die Warnstreiks mit einer öffentlichen Betriebsversammlung der bei den Aufzugsherstellern Beschäftigten.

Video: Warnstreiks der Metaller in Wien begonnen.
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"Dieses Angebot ist eine Frechheit"

"Von Einmalzahlungen halte ich eigentlich gar nichts", sagt Martin Schmid. Er repariert und serviciert Aufzüge, und so wie alle anderen Streikenden ist er in volle Arbeitsmontur gekleidet. Denn nach vier Stunden des Pfeifens und Trommelns geht es wieder in den Dienst. Beide Seiten müssten einen Kompromiss eingehen, aber "es geht darum, dass wir eine faire Entlohnung bekommen", erklärt Schmid. "Die 2,5 Prozent sind eine Frechheit und total realitätsfremd", macht ein nebenstehender Mann seinem Ärger Luft. Um mindestens zehn Prozent müssen die Löhne steigen, fordern er und all die anderen Versammelten.

Ein Argument der Gegenseite lautet, dass bei steigenden Löhnen möglicherweise Personal abgebaut werden müsse. Thomas Schicklgruber hält das für eine leere Drohung. Schicklgruber ist Störungsmonteur und arbeitet seit 25 Jahren in der Fahrstuhlbranche. Es gebe genug Aufträge, und man suche sogar zusätzliche Mitarbeiter. Zudem würden die höheren Preise an die Kunden weitergegeben, hält er dagegen.

Inflation trifft Mitarbeiter 

Zwei junge Frauen halten Gewerkschaftsfahnen in die Höhe. Wenn der Warnstreik nichts bringe, werde man die Arbeit dauerhaft niederlegen, geben sich die beiden entschlossen. Sie sind Schwestern und arbeiten im selben Betrieb als Monteurinnen. Beim Thema Inflation werden sie ernster. "Man muss zweimal überlegen, was man unternehmen oder kaufen kann", und gerade mit einem Kind sei es anstrengend, die Fixkosten zu decken, sagt eine der beiden. Die Inflationsrate in den zwölf Monaten seit September 2022, die sogenannte rollierende Inflation, betrug 9,6 Prozent. Geht es nach den Gewerkschaften, sollen die Löhne darüber hinaus steigen, damit die Kaufkraft der rund 200.000 Angestellten in der Metallindustrie erhalten werden kann. Die Arbeitgeber argumentieren, dass die Inflation in den vergangenen Monaten abgenommen habe – und will deshalb einen Teil der vergangenen Inflation mittels Einmalzahlung abdecken.

In der Menge wird ein Mann stetig von Kameras begleitet. Reinhold Binder, "Reini", wie man ihn hier nennt, der Chef der Produktionsgewerkschaft Pro-Ge, tritt auf eine Bühne. Der Applaus ist ihm vor diesem Publikum sicher. Man müsse die Arbeitnehmer in den Mittelpunkt stellen, sagt er bei der öffentlichen Betriebsversammlung. Das bisherige Angebot der Arbeitgeber sei respektlos und die Drohungen "schäbig". "Wir wurden noch nie gefragt, wenn ein Betrieb zugesperrt wurde", ruft Binder. Der Auftrag heute sei es, ein Ausrufezeichen zu setzen.

"Deswegen stehen wir jetzt bei McDonald's"

Nach der Rede gehen ein paar der Streikenden zu einem nahe gelegenen Fastfood-Restaurant. Mit einem Kaffee in der Hand stehen sie vor der Tür. "Es ist enttäuschend, wir haben mit mehr Entgegenkommen gerechnet", sagt ein Mann über die Arbeitgeber. In der Gruppe sind Betriebsräte, die anonym bleiben wollen. Wieder kommt die Inflation zur Sprache. "Ich spüre es sehr deutlich", erzählt einer. Mieten und Kredite steigen immer weiter, Urlaube würden immer teurer. Vom Tanken ganz zu schweigen, beklagen sie. Und die Regierung? "Das ist ein komplettes Versagen." Die "schwarze Regierung" mache Politik für die Arbeitgeber. "Deswegen stehen wir jetzt hier bei McDonald's", ätzt einer. Unschwer zu erahnen, wem er damit etwas ausrichten möchte: dem Bundeskanzler, der der Meinung war, die günstigste warme Mahlzeit gebe es ebenda.

"Wir wollen nur zu unserem Recht kommen", betont einer der Männer. Durch die Warnstreiks erhoffe man sich mehr öffentliche Aufmerksamkeit. Am Montag kehrten die streikenden Aufzügler um 11 Uhr zu ihren Betrieben zurück. Im ganzen Land sollen noch bis Mittwoch weitere Warnstreiks abgehalten werden. Am Donnerstag gehen die Verhandlungen dann in die fünfte Runde. (Noah May, 6.11.2023)