Es wurde schon oft gesagt, aber das Jahr 2023 war zumindest für Gamer ein wirklich gutes. Ein neues 2D-"Mario", ein neues 3D-"Zelda" und zahlreiche Blockbuster-Fortsetzungen von "Spider-Man" bis "Alan Wake" haben neben ein paar Indie-Überraschungen für einen vollen Spielekalender gesorgt.

Auch in der Web-Redaktion des STANDARD wurde viel gespielt, beruflich und privat. Für diesen Jahresrückblick sind alle Kollegen noch einmal in sich gegangen und dürfen hier ihr Spiel des Jahres vorstellen. Wir freuen uns natürlich, wenn in den Kommentaren die Highlights der Leserinnen und Leser erwähnt und beschrieben werden. Wir haben sicher nicht alle Top-Titel des Jahres in unserer Liste.

Baldur's Gate 3
Mit "Baldur's Gate 3" schaffte der Entwickler eine wunderbare Umsetzung des D&D-Regelwerks für den PC und Konsolen.
Larian

Alex sagt "Baldur's Gate 3"

Bei all den Highlights in diesem Jahr hat sich für mich ein Spiel hervorgetan, das mit weitem Abstand die Konkurrenz hinter sich gelassen hat: "Baldur's Gate 3". Wie schon "Elden Ring" im Vorjahr hat mich dieses Spiel zunächst wenig interessiert, kannte ich doch die Vorgänger nur vom Hörensagen. Auch wenn ein Spiel bis zu 120 Stunden von mir fordert, damit ich den Abspann sehen kann, winke ich in der Regel schnell ab.

Nachdem wir für einen zeitgerechten Test zu spät ein Muster bekommen haben, konnte ich privat und in Ruhe ins Spiel starten. Rundherum baute sich schon der Internet-Hype auf, und so versuchte ich mit meinem Barbaren-Ork mein Glück. Überwältigt von der Präsentation, der vielleicht besten Erzählerinnenstimme der Videospielgeschichte und den taktischen Kämpfen, die nicht zu schwer und nicht zu leicht waren, sank ich völlig unerwartet tief in die D&D-Welt.

Weil auch ein Freund das Spiel gleichzeitig anging, startete ich mit einem Halbelfen-Paladin neu in eine Koop-Runde, die wir zweimal wöchentlich über etwa drei Monate fortführten. 83 Stunden später haben wir den Abspann hinter uns gebracht, und ich giere eigentlich nach einem zweiten Durchlauf. Das Spiel hat alles, was ein modernes Videospiel mitbringen muss. Eine unglaubliche Produktionsqualität, ein forderndes Gameplay und eine wunderbare Geschichte mit vielen Überraschungen. "Baldur's Gate 3" ist das beste Spiel des Jahres 2023 und auch eines der besten Videospiele aller Zeiten.

Runner Up

An zweiter Position wäre in diesem Jahr tatsächlich ein Handyspiel. "Marvel Snap" ist kurzweilig, ohne viel Geldeinwurf zu spielen und inszenatorisch wunderbar umgesetzt. Ich spiele das Spiel jetzt seit rund einem Jahr und freu mich noch immer über neue Karten und das Ausprobieren neuer Decks. Das Game ist Free2Play, falls man es mal ausprobieren will.

Das Bild zeigt einen Screenshot zu
"Alan Wake 2" ist auf dem PC in jeder Hinsicht ein absolutes Meisterwerk.
Remedy Entertainment

Benjamin sagt "Alan Wake 2"

Nach mehr als 35 Jahren Erfahrung und intensiver Auseinandersetzung mit dem Thema Videospiele halten sich wirkliche Überraschungen in Grenzen, selbst wenn Hochkaräter in einem Jahr wie diesem so dicht getaktet sind. Klar ist "Baldurs Gate 3" ein fantastisches Rollenspiel – und natürlich muss man auch ein "The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom" gespielt haben. Dass beide Spiele erfolgreich sein werden, war für mich aber klar. Entwickler Larian Studios hat mich schon 2020 im Early Access davon überzeugt, dass die Abenteuer in Faerûn aus vielen Gründen an den Bildschirm fesseln werden. Und ein Nachfolger zu "Breath of the Wild" ist natürlich großartig, aber in den Händen eines Eiji Aonuma im Prinzip auch ein Selbstläufer.

Überraschungen gehören meiner Meinung nach aber unbedingt zu einem Spiel des Jahres dazu. Deshalb fällt meine Wahl heuer eindeutig auf "Alan Wake 2". Kein anderer Titel konnte mich heuer auf so vielen Ebenen aus der Reserve locken: In erster Linie ist Entwickler Remedy natürlich ein erzählerisches Meisterwerk gelungen. Die unterschiedlichen Spielarten der beiden Hauptcharaktere sind schon großartig – dass Alan Wake seine Geschichte mit Fundstücken im Spiel buchstäblich umschreiben und damit die Schauplätze verändern kann, in denen er sich befindet, ist ein absoluter Geniestreich im Leveldesign.

Hinzu kommt, dass die Mischung aus Mystery-Thriller und Survival Horror auf einem gut ausgestatteten PC (gespielt mit einer RTX 4090) nicht nur von Anfang an fehlerfrei gelaufen ist, sondern die Konkurrenz auch noch technisch sehr alt aussehen lässt. Das wahre Kunststück ist dabei weniger, einen "Grafik-Porno" als Selbstzweck zu inszenieren. Vielmehr sorgt der Einsatz von Pathtracing dafür, dass eine beinahe mystische Lichtstimmung, aber gleichzeitig auch eine lebendige Klarheit in die Spielkulisse gezaubert wird, die für sich gesehen schon Gänsehaut erzeugt. Schauderhaft schön, in abartig hohem Detailgrad inszeniert.

Apropos: Auch das Spiel mit Angst und Unbehagen ist Remedy mindestens genauso gut gelungen wie die unzähligen Anspielungen auf den Vorgänger – und Finnland, das Heimatland des Entwicklers. Hätte ich für "Alan Wake 2" nur zwei Worte übrig, würde ich mich für "perfekte Überraschung" entscheiden. Man weiß anfangs gar nicht, worüber man zuerst staunen soll. Was kann man sich von einem Spiel des Jahres mehr erwarten?

Runner up

Womit ich heuer tatsächlich auch nicht gerechnet hätte: dass mich Super Mario noch derart vom Hocker hauen kann. Genau das ist aber "Super Mario Bros. Wonder" gelungen. Ein Haufen verrückter neuer Ideen sorgte dafür, dass ich den Controller nur ganz, ganz schwer beiseitelegen konnte und binnen kürzester Zeit durchs Spiel gerauscht bin. Nach all den Jahren hat es der Alibi-Installateur also noch immer nicht verlernt: Wie in keinem anderen Spiel wird jede Menge guter Laune versprüht. Achtung, ansteckend.

"Rogue Trader" ist düster, brutal und gnadenlos.
Owlcat Games

Peter sagt "Rogue Trader"

Da kann der Kollege Amon noch so sehr über "Baldur's Gate 3" schwärmen und uns an seiner spät entdeckten Liebe zur Welt von "Dungeons and Dragons" teilhaben lassen, aber für mich ist der Rollenspiel-König dieses Jahr düster, grausam und richtig böse. Denn Elfen, Orks und anderes Gezücht sind in "Rogue Trader" nämlich nichts anderes als dreckiger Xenos-Abschaum, und der Imperator hat so gar keine Freude, wenn Grünhäute und Spitzohren auf seinen Planeten herumspazieren.

"Rogue Trader" ist nämlich die ultimative Machfantasie für "Warhammer"-Fans. Damit ist nicht die ceramitgerüstete Action einer "Space Marine" gemeint, denn im Spiel von Owlcat Games übernimmt spielt man einen spektakulär reichen und sensationell mächtigen Rogue Trader. Das alles geht einher mit fordernden und blutigen Kämpfen, moralisch kniffligen Entscheidungen und einer Erzählung, die mich von Minute eins an packt. Natürlich hat das nicht die Produktionsqualität eines "Baldur's Gate 3", und einige Bugs warten auch noch auf deren Ausbügelung, aber ich kann es nicht erwarten, mich wieder auf den Kommandothron auf der Brücke meines Flaggschiffes "Unforgiven" zu setzen und die Gnade des Imperators im Raumsektor zu verteilen.

Das alles hoffe ich endlich über die Feiertage zum Abschluss zu bringen, denn auch mit "Rogue Trader" kann man sich locker über 100 Stunden beschäftigen. Doch der Plan wackelt, dank der Nummer zwei auf meiner persönlichen Hitliste.

Runner Up

"Against the Storm" ist auf den ersten Blick so gar nicht meins: Die Cartoongrafik des Aufbauspiels schreckt mich üblicherweise ab. Dann gibt es darin nicht nur Menschen, sondern auch Echsen und ausgerechnet Biber. Das ist mir eigentlich zu viel Fantasy. Aber: "Against the Storm" drückt bei mir genau die Knöpfe, die schon ein "Northgard" so virtuos betätigte. Der Aufbaupart ist immer ein Rennen gegen die Zeit, die Erkundung der Map bleibt auch nach der x-ten Wiederholung dank der Waldlichtungen spannend, und das Spielprinzip wird immer komplexer, bis ich mir in bester "Siedler" oder "Stronghold"-Manier Gedanken über meine Gebäudeketten machen muss. Für 20 Euro bekommt man eines jener Games, die den Aufbau-Fan nicht mehr loslassen.

Stefan sagt (mit einer breiter angelegten Definition) "Terra Nil"

Weil ich zu einem gewissen Grad ein Listen-Freak bin, habe ich es akribisch dokumentiert: Über 60 Spiele habe ich im Jahr 2023 gespielt, Indies und Blockbuster gleichermaßen, Shooter ebenso wie Wholesome-Games, auf Konsolen, dem Smartphone und dem PC. Und so sehr ich mich auch bemühe, der Mainstreammeinung zu entkommen, so muss ich mich anschließen: Nach klassischen Kriterien ist "Baldur's Gate 3" ohne Zweifel das Spiel des Jahres. Als Fan der "Drachenlanze"-Romane habe ich mir als Charakter einen Halbling namens Tolpan Barfuß angelegt, der zwar schlecht kämpft, aber dafür gut im Schlösserknacken ist. Jetzt erlebt er ein neues Abenteuer, mit spannenden Charakteren, einer dichten Storyline und einem Gameplay, das bei jedem Pen&Paper-Fan das Herz höher schlagen lässt. Durchgespielt habe ich das Spiel übrigens noch immer nicht – ich will mir Zeit lassen, so viel wie möglich erkunden und genießen.

Andere Spiele des Genres konnten dem Sieger leider nicht das Wasser reichen, auch wenn es zeitweise anders aussah. So punktet das mit viel Vorschusslorbeeren versehene "Starfield" zwar mit einer offenen Welt und vielen Nebenquests – umso mehr stellte sich aber im Lauf des Spiels heraus, dass man die meiste Zeit mit der Reise von A nach B anstatt mit spannenden Geschichten verbringt. Und "Diablo 4" konnte zwar mit düsterer Atmosphäre und einer packenden Hauptstory aufwarten, schoss sich aber spätestens mit dem Endgame-Content ins Aus.

Als der Experte für Aufbau- und Simulationsspiele im Team musste ich in diesem Jahr zusätzlich lernen, mit Enttäuschungen umzugehen. So konnte der für Mobilgeräte veröffentlichte "Landwirtschaftssimulator 23" nicht an die PC- und Konsolenversion heranreichen. "Pharaoh: A New Era" – das Remake des beliebten Aufbauklassikers – wurde leider unfertig veröffentlicht, und "Cities: Skylines 2" kämpft mit heftigen Performanceproblemen. Dafür hat das postapokalyptische Aufbauspiel "Against the Storm" im Dezember den Early Access verlassen, und ich schließe mich dem Lob des Kollegen an: Das dahinterstehende Studio hatte von mir für die intensive Kommunikation mit den Fans keine Rezension, sondern einen Liebesbrief erhalten.

Und dann gibt es noch "Terra Nil". Erhältlich für PC und via Netflix-Abo für mobile Geräte, ist dies kein Aufbau-, sondern ein Abbauspiel, in dem in einer postapokalyptischen Welt die Fehler der Menschheit rückgängig gemacht werden und die Natur wieder aufgeforstet wird. Das Gameplay ist extrem entspannend, Stress gibt es hier nicht. Außerdem werden acht Prozent der Stream-Erlöse an eine Umwelt-NGO gespendet. Somit ist "Terra Nil" für Games das, was das Fairphone für Smartphones und Ecosia für Suchmaschinen ist: "Gut" im Sinne von "gut für den Planeten". Und das macht es für mich zum besten Spiel des Jahres – womit ich der Mainstream-Falle doch noch knapp entkommen bin. (24.12.2023)

Terra Nil - Reveal Trailer
DevolverDigital