Josef (links) und Florian Kröppel stehen im Eingang ihres Fleischerladens in der Wiener Innenstadt.
Was die Fleischermeister Josef und Florian Kröppel in der Postgasse 1 verkaufen, haben sie selbst gekocht, geselcht und geräuchtert.
Heribert Corn

Zwischen Beinschinken und Ochsenschlepp erzählen die beiden Fleischhauer Josef und Florian Kröppel, warum es ihren Betrieb in einer sterbenden Zunft noch gibt. Die Kundschaft geht ihnen trotz des veganen Booms nicht aus.

STANDARD: Viele Familienunternehmen finden keine Nachfolge, häufig scheitert es in Gewerbe und Gastronomie an den behördlichen Auflagen, die hohe Investitionen erfordern und nicht leistbar sind. Haben Sie immer so viel investiert?

Josef Kröppel: Nicht immer, aber in letzter Zeit schon. Allein das neue Ladenpult und die neue Zu- und Abluftanlage haben an die 70.000 Euro gekostet.

STANDARD: Aber da haben Sie schon gewusst, dass Ihr Sohn die Traditionsfleischerei übernehmen will, oder?

Josef Kröppl: So ist es. Es hilft ja nichts, wenn die ältere Generation sagt, wir investieren hier nicht und dort nicht, wir kommen schon irgendwie durch. Dann trifft dich irgendwann der Schlag, weil so viel Geld auf einmal notwendig wäre. Ich hab einmal investiert, und jetzt passt es. Wenn du niemanden hast, der den Betrieb übernimmt, dann ist es verständlich. Das Problem ist auch, dass man für die Geschäftslokale keine nennenswerte Ablöse bekommt. Wenn ich 70.000 Euro hineinstecke und der, der das Geschäft übernimmt, zahlt mir einen Zehner, dann hab ich viele, viele Jahre für nix gearbeitet.

Beinschinken, Beiried, Leber wird auf einem Holzblock im Geschäft geschnitten.
Das Fleisch stammt von Bauern in der Umgebung, darauf legen die Kröppels großen Wert.
Heribert Corn

STANDARD: Wissen Sie, wie viele Fleischer es noch gibt in Österreich, die selbst selchen und wursten?

Josef Kröppel: Ich hab keine genauen Zahlen, aber wahrscheinlich kann man sie an zwei Händen abzählen.

STANDARD: Mit Frischfleisch, Wurst und Schinken allein würde es sich vermutlich nicht rentieren, aber mit den Fertiggerichten vom Fleischlaibchen bis zu den Beinschinkenfleckerln schon. Wer kocht diese Speisen?

Josef Kröppel: Meine Frau und der Junior-Chef, also mein Sohn.

Florian Kröppel: Nach getaner Arbeit ziehe ich mich in mein Kochstudio im neunten Bezirk zurück, wo auch die Fleischerei ist. Das kann dann schon bis 22 Uhr dauern.

STANDARD: Das geht sich mit den Arbeitszeitregelungen aber nicht aus.

Florian Kröppel: (lacht) Nein, das geht sich nicht ganz aus.

STANDARD: Haben Sie das Geschäft und den Fleischereibetrieb am Sobieskiplatz schon übernommen?

Florian Kröppel: Noch nicht, aber in zwei Jahren geht mein Vater in Pension. Den Meisterbrief habe ich 2019 gemacht, und ich freue mich schon sehr, wenn mein Vater einen Schritt zurücktreten wird.

Josef Kröppel: (lacht) Ja, einen Schritt zurück und zwei Schritte nach vor ...

STANDARD: Das wird Ihnen bald leidtun, denn dann fehlt ein Mitarbeiter, der nicht auf die Uhr schaut ...

Josef Kröppel: So ist es. Die glauben alle, sie machen sich selbstständig und haben mehr Lebensqualität. Aber bei uns arbeitet einer für den anderen. Jetzt arbeitet er für mich, und dann arbeite ich für ihn.

STANDARD: Aber Sie werden dann kein Gehalt mehr kriegen ...

Josef Kröppel: Ich krieg dann ja meine Pension. (lacht) Unser Vorteil ist, dass das Geschäft klein ist, und wir kommen mit wenigen Mitarbeitern aus. Hätten wir ein größeres Geschäft, bräuchten wir mehr Mitarbeiter, die es heute aber nicht mehr gibt. Früher haben alle gesagt, wir brauchen mehr Filialen, mehr Quadratmeter, damit es sich rentiert. Das kannst du vergessen, das ist vorbei. Besser ein Geschäft, das anständig geführt wird.

Im Bild ein großer Beinschinken im Ganzen. 
Im Kühlhaus hinter der Theke lagern die Fleischermeister Florian und Josef Kröppel die Frischware.
Heribert Corn

STANDARD: Alle reden von Tierwohl und Biofleisch. Wie suchen Sie das Fleisch aus? Wer sind die Lieferanten?

Florian Kröppel: Wir haben lauter Partner, die uns seit Generationen beliefern. Das Rindfleisch kommt aus Hochneunkirchen, von dort ansässigen Bauern. Unser Lieferant bezahlt die Bauern fair, und die Wege sind kurz.

STANDARD: Bauern mit Tierzucht werden aber immer weniger ... Da bleibt irgendwann nur der Großmarkt?

Josef Kröppel: Ja, in diese Richtung geht es. Der Stallgeruch, den gibt es, und Tiere machen täglich Arbeit, und das will von den jungen Leuten keiner mehr machen. Dabei gäbe es im Moment bessere Bedingungen. Rindfleisch, also das Rohfleisch, ist um 25 Prozent teurer geworden in den vergangenen zwei, drei Jahren, es gäbe also mehr zum Verdienen.

STANDARD: Kurz zurück zum Kochen: Haben Sie auch eine Lehre als Koch absolviert?

Florian Kröppel: Ja, (lacht) daheim bei meiner Mutter.

 Ein Hund steht an der Schwelle zum Fleischwarengeschäft der Familie Kröppel.
Hündchen Heinz muss draußen bleiben. Der Besuch seines Herrchens in der Fleischerei Kröppel ist mit Sicherheit eine besondere Herausforderung.
Heribert Corn

STANDARD: Eine Dame hat soeben Beinschinken mit Fettrand gekauft – kaufen die Leute weniger Fleisch?

Josef Kröppel: Weniger vielleicht nicht, aber sie selektieren, und es schwankt nach Saison. Jetzt kommt Ostern, und da machen wir die kleinen, handgefertigten Beinschinken, fertig gekocht zum Aufwärmen in einem Topf mit heißem Wasser oder in Brotteig gebacken. Osterkrainer und Geselchtes haben wir auch speziell für die Osterfeiertage. Zu Neujahr gibt es Sulz mit Ei und Gurkerln und andere Spezialitäten.

STANDARD: Die Kundschaft will mehr Bio, aber eingeschweißt in Plastik – wie passt das zusammen?

Josef Kröppel: Wir verwenden gutes Papier als Verpackung. Aber wenn es der Kunde wünscht, wird Frischfleisch vakuumverpackt, dann ist es einfacher zu transportieren und bleibt gekühlt ein paar Tage frisch.

STANDARD: Angst, dass irgendwann niemand mehr Fleisch essen wird, weil alle vegetarisch oder vegan werden, haben Sie nicht?

Florian Kröppel: Nein, ich glaub, diese Gefahr besteht nicht. Gute Ware und gutes Essen werden immer nachgefragt. Wir machen jede Woche vierzig Kilo Fleischlaberln, und das wird sich so schnell nicht ändern.

STANDARD: Stichwort Auflagen, auch aus Brüssel. Fühlen Sie sich als Kleinbetrieb von der Politik, die das Schnitzel retten will, und Ihrer Standesvertretung in der Wirtschaftskammer ausreichend unterstützt?

Josef Kröppel: Unterstützung? Wir sind denen schon seit Jahrzehnten wurscht. Ein paar kleine Gewerbebetriebe, das sind ja keine Wählerstimmen. Wir hatten 2022 die dreifachen Gaskosten. Gas brauchen wir zum Räuchern. Aber Hilfen gab es nicht.

Florian und Josef Kröppel stehen hinter der Theke ihres Fleischerladens in der Wiener Postgasse.
Rötliches Licht, damit rücken die Kröppels Fleisch und Wurst ins richtige Licht.
Heribert Corn

STANDARD: Alle beklagen den Fachkräftemangel. Bilden Sie den Nachwuchs selbst aus?

Josef Kröppel: Das ist gar nicht so einfach. Ich hab einmal um einen Lehrling angesucht beim Arbeitsmarktservice. Aber da brauchst du einen Pausenraum und ein separates WC und, und, und. Wo bitte soll ich das auf 25 Quadratmetern machen? Dort im kleinen Raum ist die Küche und hinten raus die Toilette, und dann ist es aus. (Luise Ungerboeck, 25.2.2024)