"Sie sind jetzt mal still!", "Stopp!", "So was habe ich in 20 Jahren noch nicht erlebt!", "Darf ich jetzt einmal ausreden?", "Diese Respektlosigkeit geht mir jetzt wirklich zu weit!". Die Stimmung Montagvormittag im Saal zwölf des Arbeits- und Sozialgerichts in Wien ist aufgeheizt. Das liegt nicht nur am kleinen Raum, der angesichts des prominenten Gastes gut gefüllt ist. Alle Augen sind auf ORF-Generaldirektor Roland Weißmann gerichtet. Er wird hier heute zum Fall einer ehemaligen ORF-Managerin befragt, die ihren Arbeitgeber wegen Diskriminierung klagt. Trotz der hitzigen Debatte endet der Prozesstag mit mehr Zuversicht als erwartet. Aber der Reihe nach.

Roland Weißmann
ORF-Generaldirektor Roland Weißmann sieht sich mit der Klage einer Managerin konfrontiert, die sich nach sexueller Belästigung an einen inadäquaten Arbeitsplatz abgeschoben sieht.
Foto: APA / Roland Schlager

Die Klägerin, die seit mehr als einem Jahr mit ihrem Arbeitgeber prozessiert, hat sich gegen angebliche sexuelle Belästigung und Mobbing durch ihren ehemaligen Vorgesetzten im ORF zur Wehr gesetzt. Seither sei sie aber intern aufs Karriere-Abstellgleis verfrachtet worden. Man habe sie im Unternehmen zu einem für sie nachteiligen Vergleich gedrängt, den sie "mit dem Rücken zur Wand" unterschrieben habe. Deshalb fordert sie nun vor Gericht 160.000 Euro Schadenersatz und eine Funktion im Unternehmen, die ihrer Qualifikation entspreche. Der ORF betont unterdessen, adäquat auf die angebliche Belästigung reagiert zu haben. Außerdem hätte man der Klägerin mehrere attraktive Jobangebote gemacht, die sie alle ablehnte.

Zwei (Ex-)Generaldirektoren vor Gericht

Die Causa spielt sich eigentlich im mittleren Management ab, dennoch sind gleich zwei (Ex-)Generaldirektoren in das Verfahren involviert. Der ehemalige ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz sagte vor Gericht bereits aus, alles in seiner Macht Stehende für die Mitarbeiterin getan zu haben. Doch die Angelegenheit fiel in eine turbulente Zeit im Öffentlich-Rechtlichen: Als die interne Untersuchung um die Belästigung 2019 eingeleitet wurde, hatte schon bald die Corona-Pandemie Österreich fest im Griff. Parallel begann im ORF der Machtkampf um die Position des Generaldirektors, den schließlich 2021 Roland Weißmann für sich entschied.

Weißmann habe schon, bevor er Generaldirektor wurde, von dem Konflikt gehört, sagt dieser am Montag vor Gericht aus. Von sexueller Belästigung habe er anfangs nichts gewusst, nur "dass die Chemie zwischen den beiden nicht mehr stimmte". Er habe versucht, zur Schlichtung beizutragen. Fixe Jobzusagen habe er der Klägerin aber keine gemacht. Die Jobs, die sie vorgeschlagen habe, hätten alle eine Ausschreibung erfordert oder seien schon besetzt gewesen. Falls sie sich dafür bewerben wolle, habe er ihr lediglich "viel Glück" gewünscht. Als sie 2022 eine Stelle nicht bekam und sich bei ihm über Diskriminierung beschwerte, sei die Situation aber eskaliert. Weißmann habe sie "angeschrien, mir Machtfantasien unterstellt und gesagt, ich solle nicht mit der Frauenkeule kommen", schilderte die Klägerin bei einem früheren Gerichtstermin.

Keine Schreierei

Dieses Treffen beschreibt Weißmann am Montag vor Gericht völlig anders. Er habe in dem eineinhalbstündigen Gespräch "sicher nicht geschrien, weil ich mit meiner Stimme haushalten muss". Auch das Wort "Machtfantasien" sei von ihm nicht verwendet worden, es sei nicht in seinem Sprachgebrauch. Er könne nicht ausschließen, der Managerin unterstellt zu haben, "mit der Frauenkeule" zu kommen. Allerdings deshalb, weil es ihm besonders wichtig sei, bei Stellenvergaben niemanden zu benachteiligen. "Es ist legitim, sich für eine Position zu bewerben, aber wenn man nicht zum Zug kommt, muss man das zur Kenntnis nehmen", so Weißmann. Es sei ihm zudem wichtig zu betonen, dass es beim ORF eine "Null-Toleranz-Politik" gegen sexuelle Belästigung gebe.

Hoffnung auf Vergleich

Richterin Monika Gaugl macht unterdessen keinen Hehl daraus, dass sie die Parteien zu einem Vergleich motivieren möchte. Und am Ende der Verhandlung kommt tatsächlich wieder Hoffnung auf. Weißmann bringt einen neuen Job im ORF-Archiv für die Klägerin aufs Tapet, der bereits vorgeschlagen worden sei und noch zu haben wäre. Offenbar kam es darüber zu Missverständnissen - unter Ausschluss der Öffentlichkeit wird das Angebot abschließend noch diskutiert.

Zu einer Einigung sei es schließlich nicht gekommen, sagt Weißmann nach der Verhandlung: "Wir werden alle noch einmal in uns gehen." Für die Klägerin könnte das Angebot noch einmal interessanter geworden sein, da sich ihre berufliche Situation Anfang des Jahres durch eine Änderungskündigung verschlechtert hat – der STANDARD berichtete. Sollte es doch zu keiner Einigung kommen, wird im Juni weiterverhandelt. (anra, APA, 13.5.2024)