Die Message-Control obsiegt in der ÖVP stets über die Wissenschaft, sagt die SPÖ-Bildungssprecherin Petra Vorderwinkler im Gastkommentar und greift damit eine Replik von Bildungssprecher Rudolf Taschner auf den Bildungsexperten Karl Heinz Gruber auf, in der sich auch Barbara Herzog-Punzenberger zu Wort meldet.

Erschaffen wir ein Schulsystem, in dem nicht Einkommen, Herkunft, Bildungsniveau oder Sozialprestige der Eltern entscheidend sind für den Bildungsweg von Kindern und Jugendlichen.
Foto: Imago/Ritter

Von Heinz Faßmann über Martin Polaschek bis zu Rudolf Taschner: Die ÖVP holte im Bildungsbereich zuletzt Menschen aus der Wissenschaft in die Politik. Was zu mehr evidenzbasierter Politik jenseits von parteipolitischen Scheuklappen hätte führen können, enttäuscht im Ergebnis. Die Beobachtung lehrt: Die ideologische Determinierung der ÖVP ist letztlich stärker als der wissenschaftliche Background.

So musste Faßmann als Bildungsminister unter Türkis-Blau zugeben, dass er entgegen jeder Evidenz und wider besseres Wissen segregierende Deutschklassen einführte. Ähnlich ergeht es dieser Tage dem Bildungssprecher Taschner, wenn dieser gegen eine Gesamtschule auftritt. Die Message-Control obsiegt in der ÖVP stets über die Wissenschaft.

Erhöhte Gesamtleistung

Diese ist nämlich eindeutig. Internationale Studien sowie Vorbildländer wie Finnland, sogar der heimische Bildungsbericht des Ministeriums belegen: Eine Gesamtschule führt nicht nur zu mehr Chancengerechtigkeit, sondern sie erhöht auch die Gesamtleistung.

Wenn die ÖVP darin keine Lösung zu erkennen vermag, dann liegt das wohl an den Grenzen des Horizonts der ÖVP im Bildungsbereich.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Wir haben viele Probleme. Wir können gerne auch trefflich darüber streiten, ob das hervorragende Abschneiden von Finnland im jährlichen Pisa-Vergleichstest mehr daran liegt, dass es auf ein gemeinsames Schulsystem setzt, daran, dass es sich von klassischen Schulfächern verabschiedet hat, oder daran, dass es deutlich mehr Geld ins Bildungssystem investiert als wir. Abzuleiten, dass wir in Österreich nichts ändern müssen, ist jedenfalls die falscheste aller Antwortmöglichkeiten.

Visionsloses Klein-Klein

Längst ist die österreichische Bildungspolitik nicht mehr von großen Würfen geprägt. Wer übersetzt Bruno Kreiskys Vision von einem Gratisschulbuch in die heutige Zeit? Wir hanteln uns – nicht erst seit Corona – von Schräubchen zu Schräubchen in einem Kompetenzwirrwarr, in dem zu viele Köche mitkochen. Ich plädiere dafür, dass wir uns wieder erlauben, groß zu denken, und uns dabei nicht sofort von tagespolitischen Fragen beirren lassen.

Erschaffen wir ein Schulsystem, in dem nicht Einkommen, Herkunft, Bildungsniveau oder Sozialprestige der Eltern entscheidend sind für den Bildungsweg von Kindern und Jugendlichen. In dem nicht schon mit neuneinhalb Jahren über die Zukunft entschieden wird und in dem Bildung nicht immer schlimmer vererbt wird. Erschaffen wir eine Schule, in die Kinder gerne gehen. In die man ohne Schultasche kommt und die man ohne Hausaufgaben wieder verlässt, weil die gesamte Bildung Aufgabe der Schule ist und uns Lehrerinnen und Lehrer daher auch die besten Arbeitsbedingungen wert sind. In der sowohl für ein gesundes und warmes Mittagessen als auch für eine Jause gesorgt ist. In der nach innen differenziert wird, ohne zu segregieren.

Differenzierte Hinwendung

Wo eigene Talente möglichst früh und individuell gefördert werden und eine möglichst differenzierte Hinwendung möglich wird. Wo in Zukunft weniger stur Schulfächer als mehr unsere Kinder unterrichtet werden sollen. Wagen wir mehr Finnland. (Petra Vorderwinkler, 7.2.2022)