Die österreichische Autorenfußballnationalmannschaft vor dem Match.

Foto: Privat

Spielbericht von Kurt Leutgeb

Bei kühlem Wetter gastierten wir am Samstagabend in der Sportschule Egidius Braun zu Leipzig bei der Autorenfußballnationalmannschaft Deutschlands. Wir waren in starker Besetzung angereist und nach dem 1:1 im letzten Länderspiel bei den englischen Kollegen und der langen Siegesserie in unseren Testspielen optimistisch gestimmt. Willy Kaipel instruierte uns, nicht auf Abseits zu spielen, den Gegner an der Mittellinie anzugehen und die zu erwartenden Räume zu nutzen. Mit dem Wind im Rücken waren wir sofort gut im Spiel. Die erste Torchance hatte Zwickl, der den Ball aus zehn Metern knapp neben das Tor setzte. Nach einem Abspielfehler im Mittelfeld und einem Missverständnis zwischen unserem Tormann und unserer Verteidigung ging die Autonama in Führung.

Wenninger 1 glich nach Corner von Weigl aus. Bis Mitte der ersten Halbzeit konnten wir das Spiel offen gestalten. Dann zeigte sich aber die läuferische, technische und organisatorische Überlegenheit der besser eingespielten und im Schnitt etwa fünfzehn Jahre jüngeren Hausherren. Wir spielten auf Abseits, was manchmal auch funktionierte. In der Pause sagte Willy Kaipel, wir hätten gut gespielt und uns alle Tore selber geschossen. Sogleich nach Seitenwechsel erzielten die Deutschen ihren sechsten Treffer. Wir hielten eine Weile dagegen und kamen zu einigen Torchancen, von denen Zwickl eine verwertete. Gegen Ende der Partie löste unsere Defensive sich zunehmend auf. Auch nach Eintreten der Zweistelligkeit spielten wir munter nach vorne und ließen uns auskontern. Das Resultat war das schlimmste Debakel in der leidvollen Geschichte des Österreichischen Autorenfußballteams.

"Eine Schande", sagte Berger 1.

"Heute hat nichts gepasst", sagte Willy Kaipel.

"Eckenendstand 13:7 für Österreich", zitierte Stefan Reiser den "sehr gästefreundlichen" deutschen Kommentator der Live- Radioübertragung.

"Das Ergebnis war viel zu hoch", tröstete Autonama-Goalie Andreas Merkel.

Autorenfußballnationalmannschaft Deutschlands – Österreichisches Autorenfußballteam 12:2 (5:1). In Willy Kaipels 4-4-2 begannen Gast David; Wenninger 1, Schlembach, Ilkerl, Pöltl; Leutgeb 1, Weigl, Soder, Zwickl; Berger 1, Sztatecsny. Es kamen Altmann, Berger 2, Pechmann und Wenninger 3. Unsere Tore erzielten Wenninger 1 und Zwickl.

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Als ich 500 Euro in 30 Jahren verdiente – Ein Erlebnisbericht von Autorenfußballnationalmannschafts-Spieler Mario Schlembach zu seiner Fußball-Karriere

Mein Name ist Mario Schlembach. Mit drei Jahren stand ich zum ersten Mal am Fußballplatz und trainierte mit den Jüngsten. Nochmal drei Jahre warten, bis ich mein erstes Meisterschaftsspiel machen durfte und seither nicht aufhörte. Bilanz nach über 30 Jahren im Verein: Verdienst ca. 500 Euro. Ausgaben inkl. Utensilien, Reise- sowie Arztkosten wohl im höheren fünfstelligen Bereich – nicht eingerechnet sind die Kantinenrechnungen – sowohl nach dem Training, als auch den Spielen – sowie die diversen Bierfassspenden beim Sportlerfest.

Meine Jugend verbrachte ich bei meinem Heimatverein SC Sommerein, der damals wie heute in der 1. Klasse-Ost in Niederösterreich spielt – also eine Liga vor der Letztklassigkeit. Abstieg wie Aufstieg jederzeit möglich. Mit 15 Jahren, als einige meiner Mitspieler bereits den Sprung in die Kampfmannschaft oder zu Akademien schafften, wechselte ich zum SC Höflein in die 2. Klasse-Ost. Mein Opa war dort im Vorstand und ich wollte bei ihm sein. Zu jedem Training holte er mich ab und brachte mich wieder nach Hause – jedes Mal ca. 40 Kilometer Fahrt. Ich wurde nicht verkauft, bloß verliehen. Was ich damals nicht wusste: Die Vereine trafen eine Vereinbarung, dass es meinen neuen Club jedes Mal 50 Euro kostet, falls ich in der Kampfmannschaft von Anfang an auflief. Hat es meine Einsatzchancen geschwächt? Eher nicht.

An Einsatz und Willen scheiterte es nie, eher am fehlenden Talent, was vielleicht auch der Grund ist, warum ich bis heute spiele. Diese ständige Hoffnung, die da in mir schlummert, irgendwann doch ein gutes Spiel zu machen oder auch nur einen perfekten Spielzug abzuschließen und dann … Spekulationen. Nach jedem Spiel wiederholen sich in meinen Träumen bestimmte Situationen in Dauerschleife und ich wähle andere Optionen – jetzt natürlich in ausgezeichneter Kondition und mit perfekter Technik. Statt Kornerfahne oder Fangnetz: Kreuzeck.

In meiner ersten Saison beim neuen Verein spielte ich hauptsächlich in der Reserve, gemeinsam mit weit über 40-jährigen Männern, die eine halbe Stunde vor Spielbeginn vom Heurigentisch rekrutiert wurden. Die Kreuzbandrisse und Bandscheibenvorfälle überstiegen bei weitem unsere Punkteanzahl. In der Kampfmannschaft kam ich regelmäßig in den letzten Minuten aufs Feld. Also keine Zahlung nötig. Position: rechtes Mittelfeld. Jeder, der Fußball spielt, weiß so ungefähr was das bedeutet. Rechtes Mittelfeld oder das Niemandsland des Fußballfeldes, wo selbst die Untalentiertesten am wenigsten Schaden anrichten können. Nach vorne sowie nach hinten, genug Sicherheitsnetze.

In der ersten Saison wurden wir Meister und da danach das gesamte Vereinsbudget durch Punkteprämien aufgebraucht war, verließen viele Spieler den Club, was bedeutete, dass ich jetzt regelmäßig zum Zug kam. In der zweiten Saison hat mein Jugendverein das meiste Geld mit mir gemacht. Dauerauftrag sozusagen, bis ich nach dem sofortigen Wiederabstieg fix vom neuen Club verpflichtet wurde. Mein Opa hatte einen Tauschhandel vereinbart. Höchster Marktwert meiner Fußballerlaufbahn: Ein Trainingstor.

Mit wem spielte ich Fußball? Die Zusammenstellung von unterklassigen Vereinen in unseren Breitengraden ist überall ziemlich ähnlich: Dorftalente, denen der Ehrgeiz für Höheres fehlt. Mitläufer bzw. Eigenbauspieler wie ich. Und über 50 Prozent "Auswärtige", die jeden Monatsanfang in die Kantine gerufen werden und ein Kuvert mit Fixum, Trainingsgeld und Punkteprämie bekommen. Darunter ehemalige Profispieler oder Talente aus den Nachbarländern Ungarn und Slowakei, die in unserem Dorfverein mehr kassieren als in der zweiten Liga ihres Landes. Mit der richtigen Einkaufspolitik dieser Spieler steht und fällt der Erfolg.

Als junger Spieler war es immer die größte Freude, mit solch Edeltechnikern – richtigen Fußballern mit Ausbildung und Erfahrung – auf dem Platz zu stehen. Persönlichkeiten, zu denen man aufblicken konnte, und von denen man das meiste lernte, auch wenn wir nicht dieselbe Sprache redeten. Sie lesen das Spiel anders und machen einen selbst besser. Ohne, dass sie große Anweisungen geben, versteht man plötzlich seine eigene Rolle und weiß um seine Aufgaben Bescheid: alles wegräumen, was auf einen zukommt, und ihnen den Ball überlassen. Notfalls gilt noch immer die alte Weisheit: Hoch und weit bringt Sicherheit.

Die Letztklassigkeit des österreichischen Fußballs ist geprägt von Idealismus und Weinbauern. Jeder etwas besser situierte Traubenwirtschafter gönnt seinem Heimatverein einen auswärtigen Spieler, während eine Gruppe alter Männer tagein, tagaus ihre Zeit am Fußballplatz verbringt, um den Betrieb am Laufen zu halten – immer mit dem Ziel vor Augen, irgendwann nur noch mit Einheimischen eine Meisterschaft zu gewinnen. Ein Traum, der in den allermeisten Fällen Traum bleibt.

Sind die Strukturen eines unterklassigen Vereins halbwegs gefestigt, meist dadurch, dass man die einheimischen Spieler bei der Ehre packt und sie darum bittet, gratis zu spielen, lockt nach Jahren der Erfolgslosigkeit die Versuchung in Form von ambitionierten Geldgebern, die von Fußball in etwa so viel verstehen wie die angetrunkenen Linienrichter, die für zwei Bier und eine Wurstsemmel 90 Minuten versuchen, das Gleichgewicht am Spielfeldrand zu halten. Und so bringen unseriöse Sponsoren oder Lottogewinner mit einmaligen Zuschüssen kurzfristigen Erfolg, der nach höchstens zwei Saisonen wieder in den Keller oder gar zum Konkurs des Vereins führt. Immerhin nähren diese Höhenflüge die nächsten Jahrzehnte Gespräche am Heurigentisch und lassen wieder den Wunsch erwachsen: nur mit Einheimischen die Meisterschaft zu gewinnen.

Nach zehn Jahren beim SC Höflein – zwei Meisterschaften inklusive sofortigem Wiederabstieg – verließ ich den Verein. Mein Opa war tot und ich ging zurück zu meinem Jugendclub, wo ich bis heute in der Reserve spiele, wenn ich kurzfristig vom Heurigentisch abberufen werde. Nebenbei bin ich als Schriftführer im Hauptvorstand tätig. Wir organisieren zehn Feste im Jahr, um den Spielbetrieb irgendwie am Laufen zu halten. Und seit einem Jahr bin ich noch dazu Jugendtrainer der Allerkleinsten, die selbst noch keine Meisterschaft spielen dürfen.

Der Kreis schließt sich und ich stehe noch immer am Fußballplatz. Warum? Ich weiß es nicht. Vielleicht verschmilzt man irgendwann mit diesem Ort. Man wartet auf den nächsten Anpfiff, auf das nächste Spiel, auf diesen einen perfekten Moment, der vielleicht nie kommt, aber immer im Bereich des Möglichen bleibt. (30.4.2023)