Die halbe Welt pilgert wieder nach Krumau. Mit zwei Millionen Besuchern im Jahr war Český Krumlov schon vor der Corona-Krise ein Hotspot für Massentourismus. Nun sind die vollen Busse vor allem mit Besuchern aus den USA und China zurück. Aber wie sieht es mit Moravský Krumlov aus, also Mährisch Kromau? Kennt das überhaupt jemand?

Schloss Moravský Krumlov im Herbst
Schloss Kromau beherbergt den Gemäldezyklus von Alfons Mucha.
Sascha Aumüller

Viel war neulich nicht los, an einem herrlichen Herbstwochenende in dem Städtchen keine 30 Kilometer südwestlich von Brünn. Dabei hat die mährische Variante von Krumlov durchaus Ähnlichkeiten mit der böhmischen. Die augenfälligste ist der Fluss Rokytná, der die Altstadt von Kromau fast ganz umfließt – so wie die Moldau Krumau. Die Optik der Häuserzeilen in Kromau ist aber weniger pittoresk, der Zustand oft bescheiden. Letzteres gilt auch für das zentrale Schloss Kromau, das in mehrfach verkauft und versteigert wurde und erst in jüngerer Vergangenheit ein wenig restauriert wurde. Dabei ist das riesige, italienisch anmutende Renaissanceschloss mit Arkadenhof rund um einen englischem Garten ein wunderbarer Ort zum Lustwandeln – und obendrein für eine famose Überraschung der Kunstgeschichte gut.

Zwei Bilder des 20 Werke umfassenden Zyklus
Zwei Bilder des 20 Werke umfassenden Zyklus "Das Slawische Epos"
Sascha Aumüller

Den tschechischen Maler, Plakaktkünstler und Grafiker Alfons Mucha kennt wohl auch die halbe Welt – für seine herausragenden dekorativen Jugendstilarbeiten. Muchas Hauptwerk, das Slawische Epos, ist dagegen vergleichsweise Wenigen ein Begriff. Der Zyklus zeigt die Geschichte der slawischen Völker und besteht aus 20 großformatigen Leinwänden, die er in den Jahren 1911 bis 1928 schuf. "Großformatig" bedeutet im konkreten Fall, dass manche "Schinken" teilweise so hoch sind, dass es schon der Raumhöhe eines Schlosses bedarf, um sie überhaupt adäquat wirken zu lassen.

Viele Jahrzehnte waren die Gemälde, die der Utopie des Panslawismus huldigen, in Kromau zu sehen, ehe sie in die Prager Nationalgalerie und später nach Brünn übersiedelten. 2021 sind sie ins Schloss Moravský Krumlov zurückgekehrt, wo sie ihre faszinierende Wirkung vor den wenigen Besuchern entfalten. Lange wurden die politischen Gemälde auch von der Forschung ignoriert, weil sie nicht klar einer Kunstepoche zuordenbar sind. (Sascha Aumüller, 20.11.2023)