Die Termite geht angeblich in Serienproduktion.
Telegram, Crazybear

Seit dem Überfall auf die Ukraine wird die russische Armee nicht müde, immer neue Waffensysteme anzukündigen, die angeblich bereits in Massen produziert werden oder kurz davor stehen, an die Front geliefert zu werden. Jüngstes Beispiel ist ein "Termite" genannter Angriffshelikopter. Das Ungewöhnliche: Es handelt sich um ein unbemanntes Fluggerät. Anders als kleinere Drohnen soll die Termite in der Lage sein, ähnliche Kampfeinsätze wie bemannte Helikopter zu absolvieren. Doch an der Darstellung gibt es erhebliche Zweifel.

Zuerst zu den Fakten: Die MDP-01 Termite wurde im Rahmen eines Firmenbesuchs von Dmitri Medwedew genauer vorgestellt. Der Ex-Präsident und Putin-Gefolgsmann ist aktuell stellvertretender Leiter des Sicherheitsrates Russlands. Am Montag wurde ein Video veröffentlicht, das eine angebliche Produktionslinie der neuen Helikopter zeigen soll, wie "Defence Blog" berichtet. Gebaut wird die Termite im Industriepark von Rudnevo von NPP Strela, einem Subunternehmen der Kronshtadt-Gruppe, die vor allem im Bereich der unbemannten militärischen Luftfahrt tätig ist. Wie bekannt wurde, gibt es den Vertrag über die Lieferung der unbemannten Kampfhubschrauber bereits seit 2021. Eigentlich sollte die Termite schon seit 2022 im Dienst stehen, aber das Projekt wurde immer wieder verschoben. Nun soll die Serienproduktion gestartet sein – so zumindest die offizielle Darstellung.

Militärvariante einer zivilen Drohne

Bei der MDP-01 handelt es sich um die militärische Version einer zivilen Helikopterdrohne aus dem Jahr 2016, die BVS-VT 450, die auch unter dem Label Smartheli-450 vermarktet wurde. Die Leistungsdaten dürften deshalb recht ähnlich sein: Das maximale Startgewicht beträgt 450 Kilo, das Leergewicht liegt bei 270 Kilogramm. Die Termite erreicht 150 km/h Höchstgeschwindigkeit, wobei die normale Reisegeschwindigkeit bei 90 km/h liegen dürfte. Die Termite soll eine Dienstgipfelhöhe von bis zu 3500 Metern erreichen. Sechs Stunden lang soll die MDP-01 in der Luft bleiben können, so zumindest die Angaben aus russischen Quellen. Bewaffnet wird die Termite mit lasergesteuerten Raketen.

Umbau einer alten Rakete

Doch an der neuesten russischen Wunderwaffe und deren tatsächlicher Einsatzfähigkeit gibt es wie so oft ernste Zweifel: Die in der offiziellen Aussendung gerühmte "ausgefeilte Zieltechnologie" dürfte nicht ganz neu sein. So wird die eigentlich ungelenkte Rakete S-8 modifiziert. Dabei handelt es sich um eine Luft-Boden-Rakete mit dem Kaliber 80 mm, die Ende der 60er-Jahre entwickelt wurde.

Diese Raketen werden von einem Startbehälter aus abgefeuert, der bis zu 20 derartiger Raketen beinhaltet. Im Fall der Termite wird wohl aus Gewichtsgründen darauf verzichtet, dafür sind Startrohre für drei Raketen auf der Unterseite der Drohne montiert. Die S-8L wurde mit einer Laserlenkung ausgestattet, daher auch der Namenszusatz "L". Dabei soll es sich laut russischen Angaben um eine halbaktive Zielsuchlenkung handeln.

Zur Erklärung ein kleiner Exkurs: Es gibt im Wesentlichen zwei Methoden, wie man eine derartige lasergesteuerte Waffe ins Ziel bringt: Beam Riding, auch Leitstrahllenkung genannt, oder Semi Active Laser Homing (SALH) – zu Deutsch halbaktive Zielsuchlenkung. Beim Beam Riding folgt der Flugkörper einem Leitstrahl, der vom Abschussort aus auf das Ziel gerichtet wird. Der Flugkörper "reitet" danach auf diesem Leitstrahl entlang – daher der Name.

Dieses System gibt es seit den 70er-Jahren, es hat allerdings eklatante Nachteile: Der Laserstrahl muss permanent am Ziel gehalten werden, was eine direkte Sichtlinie voraussetzt. Eine direkte Sichtlinie heißt aber auch, dass man selbst vom Feind gesehen und beschossen werden kann. Aufgrund dieser Nachteile gilt diese Variante als veraltet und wird kaum noch eingesetzt.

Ziele mit dem Laser "anmalen"

Die S-8L soll deshalb laut den Herstellerangaben auf SALH setzen. Dabei muss zwar immer noch ein Ziel mit einem Laserstrahl markiert oder angemalt werden, aber es reicht, die Rakete in die ungefähre Richtung des Ziels abzufeuern. Der Flugkörper findet den vom Ziel reflektierten Laserstrahl selbst. Diese Form der Zielerfassung kann dennoch relativ einfach gestört werden.

So gibt es Farben, die den markierenden Laserstrahl nicht mehr so stark reflektieren und so das Zielsuchsystem außer Kraft setzen. Die meisten modernen Militärfahrzeuge sind mit derartiger Farbe lackiert. Die Gegenmaßnahme der Gegenmaßnahme ist dann naheliegend: Man lenkt die Rakete einfach neben das Ziel. Ausgefeiltere Gegenmaßnahmen umfassen Blendlaser oder eine gute alte Nebelwand.

Die neue Variante der S-8 soll über einen Splittergefechtskopf verfügen und eine Reichweite von sechs Kilometern haben. Außerdem verfügt die Rakete zur bessern Navigation über ein ausklappbares Flügelpaar in der Mitte. Die Steuerungselektronik befindet sich in der Nase der Waffe. Auch die Entwicklung dieser Rakete wurde bereits mehrfach angekündigt, ob sie mittlerweile in Serie produziert werden kann, ist unklar. Erste Tests wurden im Jahr 2021 durchgeführt, seitdem gab es keine neuen Informationen zu dem Waffensystem mehr.

Zweifel an Einsatzfähigkeit

Ob die veröffentlichten Fotos tatsächlich die beginnende Serienproduktion der Termite zeigen, ist nicht ganz klar, denn auf den Drohnen sind zwar Startvorrichtungen für die Hauptbewaffnung zu sehen, es fehlen aber die dafür nötigen Zieleinrichtungen, wie man beim ukrainischen "Defense Express" gerne anmerkt. Diese Systeme müssten eigentlich in einem runden Behälter an der Nase der Drohne montiert sein. Russland hatte durch die westlichen Sanktionen große Schwierigkeiten, an hochwertige Optiken zu kommen. So griff man vor Kriegsbeginn für den angeblichen Wunderpanzer T-14 Armata auf gebrauchtes Material aus Frankreich zurück, doch auch dieser Nachschub dürfte mittlerweile versiegt sein. Präzise optische Systeme sind aber für eine Zielerfassung dringend nötig. Ob die Termite also jemals wirklich wie vorgesehen eingesetzt wird, ist offen. (Peter Zellinger, 28.11.2023)