Im Bed and Breakfast Obenauf in Unternalb serviert eine Frau mit verschmitztem Lächeln perfekte weiche Eier zum Frühstück und sagt: "Ich hoffe, sie sind gut durch, ich hab sie extra lang gekocht." Die schelmischen Blicke nehmen kein Ende, denn die Frau hat mit dickem Filzstift auch noch grinsende Gesichter auf die Eier gemalt. In gespielt strengem Tonfall trägt sie zwei Burschen auf, mehr frische Eier fürs Frühstück aus dem Hühnerstall zu holen. "Die hier kriege ich nimmer weich", scherzt sie mit Blick auf übrig gebliebene Ostereier.

Der vordere Trakt des ehemaligen Gutshof von Stift Göttweig bei Retz
Fünf Gästezimmer sind im vorderen Trakt des ehemaligen Gutshofs von Stift Göttweig bei Retz untergebracht.
Sascha Aumüller

Die Frühstücksfrau mit dem guten Schmäh ist nur einer von vielen Menschen mit Behinderung, die im ehemaligen Gutshof von Stift Göttweig in Unternalb bei Retz arbeiten. Die Caritas betreibt dort ein Social-Business-Projekt mit Werkstätten, einer Landwirtschaft und eben dieser Frühstückspension. Im ersten Stock des denkmalgeschützten Pfarrhofes gestalteten Studierende der TU Wien ein Jahr lang Gästezimmer, die zum Teil mit einer Galerie ausgestattet sind, auf der bis zu zwei Kinder schlafen können. Die Räume sind viereinhalb Meter hoch und zum Teil mit beeindruckenden Fresken ausgestattet, die Mauern dick wie die einer wehrhaften Burg.

Grillplatz und Radwegenetz

Ebenerdig gibt es nur eine kleine Rezeption, den Frühstücksraum mit einer Tafel, die alle Gäste teilen, den Garten mit Pergola und Grillplatz. Gleich daneben stehen Leihräder und weitere überdachte Plätze für eigene Bikes zur Verfügung. Denn direkt vor der Haustür beginnt ein dichtes Radwegenetz, das das gesamte Weinviertel durchmisst und von Wien aus gut mit dem Zug erschlossen ist.

Der hintere Bereich des Pfarrhofs in Unternalb bei Retz
Im hinteren Bereich des Pfarrhofs sind Werkstätten und Teile der Landwirtschaft zu finden.
Sascha Aumüller

Das Projekt für neues Leben in diesen historischen Gemäuern läuft nun schon ein Vierteljahrhundert und wächst stetig. Gut 60 Leute finden aktuell Arbeit in dem großen Gebäudeensemble aus mehreren Vierkanthöfen, Hausgäste empfinden die Atmosphäre dennoch als intim, weil insgesamt nur fünf moderat bepreiste Zimmer im ganzen Komplex zur Verfügung stehen.

Die Belegschaft kümmert sich fürsorglich um Sonderwünsche wie Picknickkörbe und befüllt auch gerne den Kühlschrank zur Selbstbedienung mit Produkten vom Hof und aus der Region. Das ist auch fein für Familien, die kein Vermögen ausgeben können in dieser touristisch sehr gefragten Gegend. (Sascha Aumüller, 29.4.2024)